Löw: Krönung beim ersten Anlauf verpasst
Wien/dpa. - Die Krönung bei seinem ersten Turnier als Chefcoach hat Joachim Löw knapp verpasst - jetzt lockt der WM-Titel 2010.
Mit dem Einzug ins Finale von Wien gegen Spanien wurde der von Jürgen Klinsmann und Löw vor vier Jahren gemeinsam eingeschlagene Reform-Kurs in der deutschen Nationalmannschaft nach dem dritten Platz bei der WM 2006 erneut belohnt - der aktuelle Bundestrainer ist ab sofort schon einmal «Europameister der Herzen». Schon vor dem 0:1 (0:1) im Endspiel hatte DFB-Boss Theo Zwanziger seinem wichtigsten Angestellten den Wunsch übermittelt, eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem 48 Jahre alten Badener vereinbaren zu wollen: «Er ist ein großartiger Trainer.»
Wie einst sein Chef Klinsmann hatte auch Löw bei seiner Amtsübernahme im Sommer 2004 den Titel als Ziel verkündet. «Warum sollen wir mit dem Zweitbesten zufrieden sein, wenn wir das Beste erreichen können?», hatte er als sein Leitmotto verkündet. Das gilt nun weiter in der schon Anfang September beginnenden WM-Qualifikation mit dem Hauptrivalen Russland. Nur der Gruppen-Erste qualifiziert sich für das Turnier 2010 in Südafrika, wo Löw den verpassten Titel nachholen will.
Löw traf vor und während dieser EM einige unpopuläre Entscheidungen. Nach der «Casting»-Show um die 23 persönlichen EM- Tickets schickte er neben Jermaine Jones und Patrick Helmes auch den 19-jährigen Marko Marin nach Hause, den der Bundestrainer erst überschwänglich gelobt und dann doch für zu leicht befunden hatte. Die langjährige Nummer 2, Timo Hildebrand, hatte Löw schon vorher aussortiert. Bastian Schweinsteiger fand sich zunächst wie auch Arne Friedrich auf der Ersatzbank wieder. Spätestens nach der EM weiß Fußball-Deutschland, dass der «nette Herr Löw» seine Linie knallhart durchziehen kann. «Natürlich spürt man die Verantwortung, den Druck, aber das ist doch schön», hatte Löw im Tessiner EM-Quartier verraten.
Schon vor dem Endspiel war Löw mit einem Punkteschnitt von 2,37 zum besten Bundestrainer aller Zeiten aufgestiegen, was die reinen Resultate angeht. Klinsmann liegt in der Wertung der bisher zehn für das DFB-Team verantwortlichen Trainer mit 2,00 Zählern nur auf Platz fünf. Auch Bert Vogts (2,18) und Jupp Derwall (2,15) kommen als Zweiter und Dritter nicht an Löw heran. Derwall bleibt nun vorerst der Einzige, der auf Anhieb bei seinem ersten Turnier als Chef einen Titel gewann. Das war bei der EM 1980 in Italien.
Auch Löw kann noch besser werden wie sein gesamtes Team. Die EM hat auch dem «Genussraucher» viel Erfahrung gegeben: Jedes Wort, jeder Schritt von ihm wurde verfolgt. Für drei Wochen war er für viele Menschen in der Heimat der wichtigste Deutsche. «Wenn ich vor die Haustür gehe, bin ich ein Stück Allgemeingut», hatte der Bundestrainer berichtet. Das bekam er auch in den EM-Tagen zu spüren, als eine Boulevardzeitung gegen seinen Willen ein Foto seiner Ehefrau Daniela druckte. Er haderte auch mit den Referees und den Funktionären der UEFA, die ihm beim 1:0 gegen Österreich wegen seiner emotionalen Reaktionen in der Coaching-Zone auf die Tribüne schickten und dann noch für das Viertelfinale gegen Portugal sperrten.