1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. London: London: Händel ganz privat

London London: Händel ganz privat

Von MARGIT BOECKH 11.06.2009, 16:52

Halle/MZ. - Kann man das glauben? So ein kleines Bett für so einen großen Mann!" Die Lady schaut ehrlich schockiert auf die purpurrote Schlafstatt. Wir sind in dem Haus, wo Georg Friedrich Händel, Barock-Genius und weltbekanntester Hallenser vor Hans-Dietrich Genscher, mehr als 36 Jahre lang bis zu seinem Tode zuhause war: London, No. 25 Brook Street. Jetzt ist hier das "Handel House Museum". In dem kann man endlich einmal dem Menschen Händel ein wenig näher kommen, über dessen Privatleben ansonsten nicht mal die gewieftesten Biografen viel zu berichten wissen. Bis hin zum Schlafzimmer. Dabei ist so viel klar: Dieser Mensch war groß in der Kunst wie in seiner Körperlichkeit. Ein 1,90 Meter-Mann von barocker Leibesfülle. Niemals hätte der in dieses wenig mehr als anderthalb Meter lange Bett gepasst! Eine Museumsdame klärt auf, dass man damals üblicherweise fast im Sitzen schlief mit reichlich Kissen im Rücken. Der besseren Verdauung wegen, wie man meinte.

Dabei ist das Haus gar nicht so einfach zu finden im Geschäftsgewusel der City. Die rote Tür mit der blassen Schrift "Handel House Museum" fällt kaum auf zwischen einer Parfümerie und einem Schuhladen. Rein geht es zudem hintenrum über einen Hof, der nicht weniger verwinkelt ist als das schmale Reihenhaus. Enge Stiegen führen zunächst in einen Raum, wo ein schrilles Video Nachtclubszenen mit Händelklängen unterlegt.

In der ersten Etage hat der Meister komponiert, geprobt, Gäste empfangen. Darunter wohl manche, die auf den Bildnissen ringsum dargestellt sind, Dichter und Diven, Rivalen und Herrscher. Das den nicht sehr großen Raum beherrschende Cembalo ist wie so gut alles Mobiliar im Hause nur eine Kopie. Die Originale sind ebenso verschollen wie zwei Rembrandts aus Händels Kunstsammlung.

In der Etage darüber das bewusste Schlafzimmer, ein paar Nebenräume. Ganz unten, wo es jetzt die Einrittskarten gibt, hat auch Händel schon seine Tickets und Noten verkauft. Mehr ist nicht. Eine richtige Junggesellenbude, die der berühmteste Brite seiner Zeit da bewohnte. Denn die Büroräume des Museums gehören schon zu Brook Street 23, wo ein anderer Promi-Musiker mal wohnte: Jimi Hendrix.

Dabei war in Händels so überraschend bescheidener Wohnstätte richtig was los mit vielen Besuchern, Proben und Besprechungen. Ständig im Hause lebte nur der Diener des nie verheirateten Händel. Was bis auf den heutigen Tag Spekulationen über die sexuelle Orientierung des Meisters befördert. Auf jeden Fall war er ein Freund leiblicher Genüsse, der auch mal ziemlich schwierig sein konnte. "The charming brute" eben, das reizende Scheusal, wie es der Maler Joseph Goupy auf Karikaturen drastisch dargestellt hat. Ein Blatt im Museum zeigt den fetten Händel mit Walleperücke und Schweinerüssel an der Orgel, umgeben von Kapaunen, Austern und Weinflaschen. Dabei komponierte der Meister wie der Teufel. Musik war schließlich sein Geschäft. Die ausgestellten Dokumente geben aufschlussreiche Einblicke in das Tun des freischaffenden Musikmanagers, der seine Kunst als Handwerk verstand und mit Sinn für Kommerz in der englischen Wahlheimat den richtigen Ton traf.

Die Stätten zu Händels Wirken kann man auch heutzutage in London noch größtenteils erlaufen. Vor allem der Reputation wegen aber nahm Nobelbürger Händel seinerzeit die Kutsche oder ließ sich in der Sänfte tragen. Selbst für so kurze Wege wie den zu seiner "Stammkirche" St. Georges', die von der Brook Street in wenigen Gehminuten zu erreichen ist. Oder zum Green Park, wo 1749 die Feuerwerksmusik erstmals aufgeführt worden ist. Die Probe dazu hatte in Vauxhall Gardens auf der anderen Seite der Themse stattgefunden - vor 12 000 Zuhörern!

An der Londoner Museumsmeile zwischen British Museum und British Library kann man im Foundling Museum eine weitere sehr menschliche Seite Händels erleben. Die Ausstellung "Handel the Philanthropist" (Händel der Menschenfreund) belegt sein großes soziales Engagement für dieses Waisenhaus, dem er die Aufführungsrechte für den "Messias" überließ und eine eigene Komposition widmete, sowie für einen Fonds verarmter Musiker. Auch sein Testament ist dort zu sehen, in dem beide Einrichtungen Legate erhalten und in dem er großzügig die Dienerschaft bedachte.

Noch zu Lebzeiten hatte Händel verfügt, dass für sein Grabmal in Westminster Abbey nicht mehr als 600 Pfund auszugeben seien. Was es letztlich wirklich gekostet hat, war den Londonern wohl sowieso egal. Sie kamen in Scharen zum Begräbnis "ihres" George Frederick Handel.