Leichtathletik-WM Leichtathletik-WM: Wachsende Kritik an deutschem Team vor WM-Start
Zürich/Hamburg/dpa. - Eine Woche vor dem Start der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Paris wachsen die Zweifel an der internationalen Konkurrenzfähigkeit des deutschen Teams und die Kritik am «Basislager» in Kienbaum. Beim Golden-League-Meeting in Zürich sorgten die wenigen Asse des Deutschen Leichtathletik- Verbandes (DLV) am Freitagabend kaum für Lichtblicke, während die internationalen Stars bei der WM-Generalprobe ein Feuerwerk an Leistungen abbrannten.
Nach dem glanzlosen Auftritt beim 75. Klassiker im Letzigrund scheint es höchst zweifelhaft, ob das DLV-Team in Paris (23. bis 31. August) seine ohnehin bescheidenen Ziele - fünf bis acht Medaillen - erreichen kann. «Was wir bisher in der Breite gezeigt haben, ist ein Desaster», sagte Olympiasieger Dieter Baumann vor Journalisten, bemühte sich aber sichtlich um Zurückhaltung: «Warten wir erst einmal ab, bis die WM vorbei ist. Dann könnt' ihr immer noch über die Leichtathletik herfallen.»
400-m-Europameister Ingo Schultz ging mit seiner Kritik in die Tiefe. «Bei uns wird nicht der Gute gefördert, sondern vornehmlich auf die Schwächsten Rücksicht genommen», sagte der Hamburger in einem «Focus»-Interview. Diese Probleme seien in der DDR positiver gelöst worden. «Der Westen hätte keinen Fehler gemacht und Größe gezeigt, wenn er zumindest Grundzüge dieses Erfolgsförderkonzepts in das neue gesamtdeutsche Modell eingewoben hätte.»
Speerwerfer Boris Henry (Saarbrücken) setzte in Zürich als Zweiter mit 86,98 m hinter Weltrekordler Jan Zelezny (Tschechien/87,95) noch das beste Zeichen. Dritte Plätze gab es für Diskus-Weltmeister Lars Riedel (Chemnitz/66,53), die Leverkusener 800-m-Läuferin Claudia Gesell (2:01,03 Minuten), die Frankfurterin Irina Mikitenko über 3000 m in 8:39,29 sowie für Stabhochspringer Tim Lobinger (Köln/5,70).
Der DLV zieht seine WM-Teilnehmer ab diesen Montag zum Training in Kienbaum bei Berlin zusammen. Auch Baumann fährt hin, obwohl der Vize-Europameister von diesem Umweg überhaupt nichts hält: «Es ist einfach Unsinn, all die Leute für vier Tage in die entgegengesetzte Richtung zu karren. Und Geldverschwendung ist es zudem.» Speer-Hüne Henry hält es sogar für «Schwachsinn, dass ich nun von Saarbrücken über Berlin nach Paris reisen muss».
Eine Woche vor dem WM-Beginn im Stade de France konnte der Weltverband IAAF stolz den ersten Rekord verkünden: 203 IAAF- Mitgliedsländer haben 1902 Athleten gemeldet. Die bisherige Rekordbeteiligung wurde 1999 in Sevilla mit 1821 Sportlern aus 201 erreicht.
Für die verletzte Sprinterin Gabi Rockmeier (Dortmund) nominierte der DLV am Wochenende Katja Wakan vom SV Halle für die Staffel nach. Damit stehen weiterhin 64 Aktive im deutschen WM-Aufgebot. Eine prominente Absage kam aus dem Lager der Briten: Marathon-Königin Paula Radcliffe, eigentlich für einen Doppelstart über 5000 und 10 000 m vorgesehen, musste wegen zu großen Trainingsrückstandes passen.
In Zürich nutzten die WM-Favoriten die Bühne beim größten und mit 3,5 Millionen Euro teuersten Sportfest, um ihre Kontrahenten noch einmal einzuschüchtern. Allen voran Maria Mutola: Nur noch ein Erfolg beim Golden-League-Finale am 5. September in Brüssel trennt die 800- m-Läuferin nach ihren siegreichen 1:59,93 Minuten vom größten Zahltag der Leichtathletik-Geschichte. Mit dem sechsten Triumph würde die Olympiasiegerin aus Mosambik den Jackpot von 50 Kilo Gold im Wert von einer Million Dollar (880 000 Euro) ganz allein knacken. Brüssel, weiß Mutola jetzt schon, wird «das härteste Rennen meines Lebens».
Zu den fünf Weltjahresbestleistungen vor 24 000 Zuschauern beim 75. «Weltklasse Zürich» trug auch Europameisterin Süreyya Ayhen bei: Die Türkin lief in 3:55,60 Minuten die schnellste 1500-m-Zeit seit sechs Jahren. Der marokkanische Mittelstrecken-König Hicham El Guerrouj untermauerte über die gleiche Distanz seine Überlegenheit in 3:29,13 Minuten. Weitere Saisonbestzeiten gingen auf das Konto der unermüdlichen Rumänin Gabriela Szabo, die die 3000 m in starken 8:33,95 Minuten gewann, sowie der mexikanischen 400-m-Läuferin Ana Guevara (49,11 Sekunden).