Leichtathletik Leichtathletik: Rene Herms verpasst das 800-m-Finale

Athen/dpa. - Binnen zwei Stunden haben die leidgeprüftendeutschen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Athen dreiweitere bittere Enttäuschungen erlebt: Erst kugelte sich Speerwurf-Ass Boris Henry die Schulter aus, dann wurde René Herms im ersten800-m-Halbfinale nur Letzter, schließlich schied am Donnerstagabendauch noch die Frauenstaffel über 4 x 100 m sang- und klanglos aus.
Als Siebter im 200-m-Finale sorgte Tobias Unger in 20,64 Sekundenfür den einzigen deutschen Lichtblick beim ersten Dreifach-Erfolg derUS-Sprinter seit 1984: Shawn Crawford holte Gold in derWeltjahresbestzeit von 19,79 vor Bernard Williams (20,01) und 100-m-Olympiasieger Justin Gatlin (20,03). Ein minutenlanges gellendesPfeifkonzert und laute «Kenteris, Kenteris!»-Rufe der griechischenFans unter den 70 000 Zuschauern störten die Startvorbereitungenempfindlich und sorgten fast für einen Eklat. «Das ist eine Schandeund eine Mißachtung des Sports», sagte Helmut Digel, derVizepräsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.
Der 22 Jahre alte deutsche Meister Herms kam in einem verbummeltenRennen über die «Trainingszeit» von 1:47,68 Minuten nicht hinaus -dreieinhalb Sekunden langsamer als bei seinem Länderkampfsieg am 8.August in München. Erstmals seit 1992 steht damit kein deutscher 800-m-Mann im Olympia-Finale. Nicht nur im Rennen, auch mit seinerAnalyse war der Sportsoldat aus Pirna nicht auf der Höhe der Zeit:«Wir wissen, dass wir in der Weltspitze angekommen sind. Ich habe beiOlympia das Halbfinale erreicht. Deswegen bin ich ziemlich happy.»
Um 22.34 Uhr Ortszeit schrieb Felix Sanchez ein StückSportgeschichte für die Dominikanische Republik: Vier Tage vor seinem27. Geburtstag machte er seinem Land mit dem ersten Olympia-Gold undseinem 40. Sieg über 400 m Hürden in Serie das schönste Geschenk.Schneller als 47,63 Sekunden war in diesem Jahr noch keiner. Seineletzte Niederlage hatte Sanchez am 2. Juli 2001 in Zagreb kassiert.Weitsprung-Gold holte Favorit Dwight Phillips (USA) mit 8,59 m.
Das US-Sprintquartett mit Marion Jones stellte in 41,67 Sekundendie Weltjahresbestzeit ein und erreichte souverän das Finale amFreitag. Dann hat Jones im Weitsprung sogar eine zweite Goldchance.Für das DLV-Quartett mit Sina Schielke (Dortmund), Marion Wagner(Mainz), Birgit Rockmeier (Dortmund) und Katja Wakan (Halle/Saale)reichten 43,64 nicht für den Endlauf. «Wir hätten nicht schnellerlaufen können», gab Sina Schielke zu.
Viel bitterer war das Aus für Boris Henry. Schon vor derQualifikation musste der WM- und EM-Dritte aus Saarbrücken, der mitder gedopten Sprintweltmeisterin Kelli White (USA) befreundet ist,alle Hoffnungen auf seine erste Olympia-Medaille begraben. «Das istmenschlich eine Tragödie», sagte DLV-Leistungssportchef RüdigerNickel. «Er wollte es unbedingt probieren und hat sich beim Einwerfendie Schulter ausgekugelt.» Nach Platz fünf in Atlanta und Rang siebenin Sydney hatte sich der 30-Jährige besonders viel vorgenommen.
Auch Henrys Kollegen Christian Nicolay (Wattenscheid) und PeterEsenwein (Kornwestheim/Ludwigsburg) verpassten das Finale. Bisher hatdas deutsche Leichtathletik-Team in Athen nur ein Mal Silber durchKugelstoßerin Nadine Kleinert (Magdeburg) gewonnen.
Die des Dopings verdächtigten griechischen Sprinter KostasKenteris und Ekaterini Thanou dürfen nach den Olympischen Spielenzunächst wieder laufen. «Die beiden Athleten sind nicht suspendiert»,erklärte Nick Davies, Sprecher des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF,am Donnerstag. Das IAAF-Council entschied jedoch, eine Untersuchunggegen den 200-m-Olympiasieger und die Sprint-Europameisterineinzuleiten und eine mögliche Sperre der beiden zu prüfen. «DieKlärung des Falls wird Wochen, hoffentlich nicht Monate dauern»,sagte Davies zur Affäre Kenteris.
Aus Protest ist Hammerwurf-Olympiasieger Adrian Annus vier Tagenach seinem Erfolg bei den Athen-Spielen zurückgetreten. Der 31-jährige Ungar machte für seine überraschende Entscheidung dasVorgehen des IOC gegen seinen Landsmann Robert Fazekas und sichselbst verantwortlich. Fazekas war die Goldmedaille im Diskuswerfenwegen Verweigerung einer Dopingprobe aberkannt worden.