Leichtathletik-EM Leichtathletik-EM: Fast alle feiern Baumann für seinen Triumphlauf

München/dpa. - Die 41 300 im Münchner Olympiastadion waren völligaus dem Häuschen, seine Frau Isabelle sprang ihm mit Anlauf in dieArme - nur beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) war die Freudeüber Dieter Baumanns Triumphlauf gedämpft. Mit seiner Silbermedailleüber 10 000 m feierte der Olympiasieger bei den Europameisterschaftenein großartiges Comeback nach der Dopingsperre. «Ich bin sehr, sehrfroh. Der eine oder andere hat ja die beiden letzten Jahrenverfolgt», sagte der 37-jährige Tübinger. «Emotional war das irre.»Als Baumann um 0.45 Uhr doch noch im Sponsorenclub des DLV einlief,hatte Verbandschef Clemens Prokop kurz zuvor im Eilschritt dieLokalität verlassen.
Auch Generalsekretär Frank Hensel wartete die Ankunft desumstrittenen Langstreckenläufers nicht mehr ab. Rüdiger Nickel,Vizepräsident Leistungssport, war nach Mitternacht der einzigeoffizielle Gratulant der DLV-Führung. Die herzlichste Umarmung kamvon Heike Drechsler. Mit Prokop hatte Baumann in seinem Buch«Lebenslauf» abgerechnet. Zu einer Annäherung kam es auch in Münchennicht, nachdem der Schwabe als einziger deutscher Athlet nicht insTrainingslager nach Erding gereist war.
Für die Zuschauer war jedoch alles wie früher: Baumann lieferteeinen tollen Endspurt und musste nach 27:47,87 Minuten nur demSpanier Jose Martinez den Vortritt lassen. Fast auf den Tag genauzehn Jahre nach seinem Olympiasieg ließ sich der Schwabe dann auf derEhrenrunde feiern. «Das war ein perfektes Rennen. Dieter hat allenbewiesen, dass er 15 Jahre lang auf diesem hohen Niveau laufen kann»,schwärmte Isabelle Baumann. Die Trainerin hatte auf der Tribüne dieHände vors Gesicht geschlagen. Nur sie wusste, ob die Tropfen, dieihr über die Wangen rannten, Regen oder Tränen waren. Denentscheidenden Tipp hatte der deutsche Rekordhalter jedoch von seinerTochter Jackie (7) bekommen: «Papa, lauf' einfach so schnell, wie dukannst.»
Von Genugtuung wollte Baumann nichts wissen. «Ich würde auch nichtvon einem Comeback sprechen. Ich habe immer gelebt, ich war ja da.»Da stand er auch wie so oft in den Katakomben und beantwortete dieFragen der Journalisten in gut überlegten und betonten Sätzen. DiesesMal brauchte er sogar ein Mikrofon, so groß war der Andrang. «EinStück weit ist auch eine Last von mir gefallen», gestand Baumann.Später bei der Pressekonferenz alberte er ausgelassen mit seinenbeiden spanischen Konkurrenten herum. Ob es denn ein besonderesGefühl gewesen sei, zum ersten Mal wieder im Nationaltrikot zulaufen? «Ach, wissen sie», antwortete er etwas belustigt. «Das wargar nicht das erste Rennen. Und es ist mir auch vollkommen wurscht,was ich anhabe - vorausgesetzt, ich lauf' nicht nackig.»
Mit diesem Erfolg hatte Baumann eine silberne Brücke geschlagen inseiner Karriere, die durch die «Zahnpasta-Affäre» jäh unterbrochenwurde. Jetzt kann es der Vize-Europameister in Ruhe austrudelnlassen. In zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Athen will ernoch am Start stehen. «Eine ganz normale Saison» will er nun erlebenund sich im Herbst 2003 nochmal an einen Marathon wagen. «EineMedaille muss ich nicht mehr gewinnen», sagte Baumann und sah aus,als habe er seinen inneren Frieden gefunden.