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Leichtathletik Leichtathletik: Drummonds Amoklauf und die Fehlstart-Regel

Von Andreas Schirmer 25.08.2003, 15:48
Der US-amerikanische Sprinter Jon Drummond liegt auf der Laufbahn und bekommt von einem Kampfrichter die Rote Karte gezeigt. Sein Protest gegen seine Disqualifikation nach seinem Fehlstart sorgte für einen Skandal bei der WM. Nach der neuen Fehlstart-Regel wird ein Sprinter disqualifiziert, wenn er den zweiten Fahlstart in seinem Rennen auslöst. (Foto: dpa)
Der US-amerikanische Sprinter Jon Drummond liegt auf der Laufbahn und bekommt von einem Kampfrichter die Rote Karte gezeigt. Sein Protest gegen seine Disqualifikation nach seinem Fehlstart sorgte für einen Skandal bei der WM. Nach der neuen Fehlstart-Regel wird ein Sprinter disqualifiziert, wenn er den zweiten Fahlstart in seinem Rennen auslöst. (Foto: dpa) dpa

Paris/dpa. - Der Amoklauf von US-Sprinter Jon Drummond beim WM- Vorlauf im Stade de France von Paris hat die Debatte über die umstrittene Fehlstart-Regel neu entfacht. «Die durch die Regeländerung beabsichtigte größere Zuschauerfreundlichkeit hat sich hier ins Gegenteil verkehrt», sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), zum unwürdigen Theater des disqualifizierten Staffel-Olympiasiegers von 2000. «Der DLV hat damals gegen die Änderung gestimmt, weil unsere Athleten dagegen waren.»

Seit dem 1. Januar 2003 ist in den Sprints und Hürdenläufen bis 400 m nur noch ein einziger Frühstart zulässig, danach wird ein Wettkämpfer - gleichgültig, wer der Verursacher ist - sofort disqualifiziert. Die neue Regel 162,7 soll den zügigen Ablauf der Wettkämpfe sichern. Vor allem das Fernsehen hatte Verzögerungen durch viele Fehlstarts beklagt. «Die Regel ist richtig», widerspricht Helmut Digel, für Marketing zuständiger Vizepräsident des Weltverbandes IAAF und ehemaliger DLV-Chef, seinem Nachfolger Prokop. Er wunderte sich, dass ausgerechnet die USA damit Probleme hat. «Die wenden diese Regel schon seit Jahren bei Universitäts-Wettkämpfen an», berichtete Digel.

Mit Entsetzen sah Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), auf der Tribüne dem fast eine Viertelstunde langen Wüten Drummonds zu, der nicht von der Bahn zu bewegen war. «Das ist ein Akt der Unsportlichkeit, der mit einer Suspendierung oder einer strengen Verwarnung bestraft werden sollte», forderte Rogge. Zunächst hat die IAAF Proteste des amerikanischen und jamaikanischen Leichtathletik-Verbandes - auch Asafa Powell hatte wegen Frühstarts die Rote Karte gesehen - abgewiesen, teilte IAAF- Sprecher Nick Davies am Montag mit.

«Ich habe der IAAF schon vorher gesagt, dass diese Regel nicht funktioniert», sagte der spätere Sieger des Skandallaufs, Ato Boldon aus Trinidad. Niemand wolle diese Regel, weil die Zeitmessung nicht perfekt sei. «Die Maschine hat einen Fehler gemacht und Jon Drummond hätte wieder mitlaufen müssen», so Boldon. Auch Sprintkollege Kim Collins von St. Kitts & Nevis hält nicht viel von der neuen Regel, kritisiert aber den Auftritt des Amerikaners: «Er hat allen ein schlechtes Image unseres Sports gezeigt.»

Zumal sich die 45 000 Zuschauer, angeheizt durch die Bilder des wild gewordenen Drummond auf der Stadion-Videowand noch auf die Seite des Querulanten schlugen und einen Neustart des zweiten Vorlaufs durch ein Pfeifkonzert minutenlang verhinderten. «Es war ein Fehler, dass dem Publikum das Reglement nicht erklärt wurde», übte IAAF- Präsident Lamine Diack Selbstkritik. «Wenn man die Massen loslässt, sind sie nicht mehr zu steuern. Dies müssen wir in Zukunft verhindern», meinte der Tübinger Sportsoziologe Digel.