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Kuba Kuba: Wie im Kalten Krieg

Von Bernd Kubisch 26.07.2005, 14:00

Guantánamo/dpa. - Der Ostzipfel, 40 Kilometer von der Stadt Guantánamo entfernt, ist die heißeste Ecke Kubas - klimatisch und politisch. In demmilitärischen Sperrgebiet gedeihen unter brütender Sonne nurGestrüpp, Agaven und Kakteen. Vom Rest Kubas getrennt durch 28Kilometer Stacheldraht und 44 Wachtürme, hat sich seit 1903vertraglich abgesichert der «Klassenfeind» USA auf der größtenKaribikinsel breit gemacht. In der Region herrscht Grenztourismus wie früher im Kalten Krieg an der Berliner Mauer. Doch diesmal befindet sich der Aussichtspunkt mit Gaststätte und Fernrohr im Sozialismus.

Der Fahrer des Taxis, der ebenso wie seine ausländischen Gästeeine Genehmigung der Militärbehörde braucht, tritt hart auf dieBremse. Einige kubanische Soldaten in Kampfmontur springen gerade aus dem Gebüsch, stutzen, grüßen und verschwinden auf der anderen Seite im Gestrüpp. Später staunen die Fahrgäste über ein Übungsgelände mit Schießstand, Kletterwänden und exerzierenden Soldaten.

Auf der Anhöhe «Mirador de Malones» flattert die kubanischeFlagge, unten irgendwo das Sternenbanner. Schmuck sieht es aus, das Freiluft-Restaurant mit Natursteinmauer und roten Bougainvillea. Mit dem bloßen Auge sind gut der Grenzverlauf mit hellbraunem Kolonnenweg in Schlangenform, auf dem US-Stützpunkt Gebäude und große weiße Behälter sowie Buchten und der karibische Atlantik zu erkennen.

Wer das US-Lager mit den Taliban-Gefangenen ohne Sehhilfeentdecken will, muss scharfe Augen oder ein wenig Fantasie haben. Das Personal der Gaststätte, die zur staatlich-militärischen «Gaviota»-Kette gehört, hilft bei der Einstellung des schwenkbaren Fernrohrs. «Da ganz hinten die Gebäude, die gehören zum Gefängnis», sagt Mitarbeiter Frank Bosch Gainza. Weiter rechts sind auch Straßen, Autos mit Soldaten, Wohnhäuser und Bepflanzung zu erkennen.

Touristen besuchen Guantánamo meist mit dem Bus als Teil einer Kuba-Rundreise oder eines Besuchs von Santiago de Cuba, der früheren Hauptstadt. Die mehrtägigen Ausflüge buchen sie in ihrer Heimat oder kurzfristig auf der Insel. Besonders US-Touristen finden es «crazy», dass sie vom Fidel Castro-Land aus mit einem Riesenfernrohr «made in the USA» ihre Landsleute in Uniform beobachten können.

Ein Computerexperte aus Barcelona meint im «Gaviota»-Restaurant:«Guantánamo ist ein Stück Weltgeschichte. Man muss es gesehen haben, um das alles zu glauben.» Für manchen bleibt nach der«Mirador»-Visite ein bitterer Beigeschmack. «Ich knabbere am dicken Hühnerschenkel im Restaurant, und da unten leiden Gefangene, von denen etliche vielleicht unschuldig sind», sagt eine Französin.

Für Reiseveranstalter aus aller Welt und besonders ihre Partner in Kuba ist das alles Business: «Wir verdienen damit Geld, das wir für unser Land dringend brauchen», sagt Gustavo Prieto Valier, Vize-Chef des «Hotel Guantánamo». Das liegt am Rande der gleichnamigen Stadt. Vom Hotel werden auch rasch und unbürokratisch Taxi und Sperrgebiet-Genehmigung für Einzelreisende beschafft. Wer gut handelt, ist mit 35 US-Dollar (knapp 29 Euro) dabei.

In der Wintersaison werden im Restaurant auf dem Hügel täglich die Tische für 15 bis 30 Personen gedeckt. Etwa 5000 ausländische Besucher kommen im ganzen Jahr, schätzt das Personal. Kubaner erhalten keine Erlaubnis für diesen Ausflug.

Das US-Gelände misst 117,6 Quadratkilometer und ist damit kleiner als zum Beispiel die Stadt Bonn. Eine Klinik, zwei Flughäfen, Wohnsiedlungen und auch einige Strände zum Baden gehören zum Stützpunkt. Pro Jahr zahlen die USA wie eh und je 4085 Dollar Pacht. «Aus elementarer Würde» löst die kubanische Regierung die Schecks seit der Revolution 1959 nicht mehr ein.

An all dies denkt kaum jemand in der Reisegruppe, wenn er beieinem Rum-Mix namens Cuba libre die sanfte Brise, den Ausblick auf das Karibikmeer und die unter blauem Himmel schwebende Raubvögel genießt. Die Preise auf der Speisekarte im «Gaviota» liegen deutlich unter denen der Touristenrestaurants im zwei Busstunden entfernten Santiago und in der Altstadt Havannas. Die Hauptstadt liegt von Guantánamo 16 Eisenbahnstunden - etwa 1000 Kilometer - entfernt.

Wer selbst direkt in die Guantánamo Naval Base will, sollteWissenschaftler oder Journalist sein und möglichst einen US-Passhaben. Reise und Vorbereitung sind langwierig. Der Besucher musszunächst nach Norfolk im US-Bundesstaat Virginia fliegen und dann mit dem Militärflugzeug auf den Stützpunkt in Kuba - vorausgesetzt er bekommt eine Genehmigung.

Einige dieser Informationen stehen auf der offiziellen kubanischen Webseite. Darin heißt es auch: «Die Stadt Guantánamo hat Touristen wenig zu bieten.» Das bestätigen die Urlauber. Kaum einer hält sich hier länger als eine Nacht auf.