Kinostart: 7. März Kinostart: 7. März: «Taking Sides - Der Fall Furtwängler»

Berlin/dpa. - Ausgehend vom Schicksal des berühmtenDirigenten Wilhelm Furtwängler (1886-1954) diskutiert der auf einemdokumentarischen Theaterstück des in Südafrika geborenen britischenSchriftstellers Ronald Harwood basierende Film das Verhältnis vonPolitik, Kunst und Moral.
Das Kammerspiel, dessen Dialoge zu großen Teilen auf tatsächlichenÄußerungen Furtwänglers beruhen, spielt im zerstörten Berlin desJahres 1946. Im Zuge der Untersuchungen des von Furtwänglerbeantragten Entnazifizierungsverfahrens will der US-amerikanischeMajor Steve Arnold (Harvey Keitel) dem Dirigenten (Stellan Skarsgård)eine Mitschuld am Naziterror nachweisen. Der Verhörte beharrt auf derAnsicht, dass Kunst und Politik nichts miteinander zu tun hätten.Eine Haltung, die Arnolds Mitarbeiter, die KZ-Überlebende EmmiStraube (Birgit Minichmayr) und der jüdische Emigrant David Wills(Moritz Bleibtreu), akzeptieren können. Der Major aber bleibtunerbittlich. Er treibt Furtwängler argumentativ und emotional in dieEnge.
István Szabó hat den Film aus einer sehr persönlichen Perspektiveheraus gedreht. Er sagt dazu: «Ich lebe in Ungarn, wie schon meineEltern und Großeltern. Unser Leben wurde immer durch Politik undPolitiker bestimmt und zerstört. Die Fragen, die der Autor RonaldHarwood stellt, sind auch meine Fragen: Wie lebt man unter dem Druckautoritärer Regime? Wie kann man da überleben? Das sind generelleFragen, die sich alle Menschen stellen müssen, heute nicht anders alsvor fünfzig Jahren.» Hauptdarsteller Harvey Keitel ergänzt: «DieseFragen sind universell relevant. Toleranz, Moral, Angst, Mut,Feigheit - was steckt dahinter. Indem wir uns mit der Geschichteauseinandersetzen, haben wir eine Chance, das herauszubekommen.» DerOriginalfilmtitel «Taking Sides» («Haltung beziehen») ist damitdurchaus als direkte Aufforderung an das Publikum zu verstehen.
Der Fall Furtwängler eignet sich in der Tat hervorragend, um überdie von Regisseur Szabó aufgeworfenen Fragen nachzudenken. DerDirigent gehörte zu den Größten seiner Zeit. Als Chef der BerlinerPhilharmoniker und der Berliner Staatsoper sowie als Staatsrat derReichsmusikkammer benutzten ihn, der nie in die NSDAP eintrat, dieNazis zweifellos als Aushängeschild. Und er ließ sich dazu benutzen.Andererseits half er jüdischen Mitbürgern und trat energisch gegendie faschistische Kulturbarbarei an, lehnte sich beispielsweise gegendas Verbot einer Hindemith-Oper auf. Schwarz-Weiß-Malerei in derBeurteilung verbietet sich also.
Um die Ernsthaftigkeit des Films zu betonen, meidet RegisseurIstván Szabó allen äußeren Aufwand. «Ich vertraue der größtenErrungenschaft der bewegten Bilder - Nahaufnahmen der sich permanentändernden Gefühle», erläutert er seinen Stil. Und wirklich erreichter damit eine außerordentliche Intensität. Und die wird durch das imAbspann des Films vermittelte Wissen um den historischen Fortgang derEreignisse noch verstärkt: Furtwängler konnte nie in den USAarbeiten, galt aber in Europa als rehabilitiert und übernahm dieLeitung der Berliner Sinfoniker sowie der Salzburger Festspiele. DieNachfolge übernahm nach seinem Tod Herbert von Karajan, der gleichzwei Mal Mitglied der NSDAP geworden war.