Kegeln Kegeln: Deutschland sperrt sich selbst aus
HALLE/MZ. - Inzwischen ist die Sache komplizierter. Denn international kam ein neues System, genannt 120 Wurf, in Mode. Das wird jetzt bei Weltmeisterschaften und im Europapokal gespielt und verlangt ein umfassendes Rechenprozedere. Daran entzündete sich ein bizarrer System-Streit. In dessen Folge erklärte nun die Classic-Abteilung des Deutschen Keglerbundes (DKB) zum 1. Januar 2010 seinen Austritt aus dem Weltverband. Er will sich das 120-Wurf-Spiel nicht bis in die untersten Ligen diktieren lassen.
Verlierer des Streits sind Vereine wie der deutsche Meister Rot-Weiß Zerbst. Er wäre zu Jahresbeginn international nicht mehr startberechtigt. "Wenn wir nicht mehr international spielen können, sind wir am Ende", sagt der Zerbster Präsident Lothar Müller. "Wir finden keine Sponsoren mehr, die uns die Reisen zum Weltpokal nach Budapest und zu den Vorrundenspielen der Champions League im Herbst finanzieren", erzählt er und "kann die Entscheidung der Geldgeber sogar verstehen. Wer steckt schon Geld in ein Vorhaben, von dem wir in einem Vierteljahr ausgesperrt sind?", so Müller weiter.
Grotesk wird der für Außenstehende komplizierte Keglerstreit dadurch, dass in der 1. Bundesliga im Classic-Kegeln ab dieser Saison nach dem internationalen System gespielt wird. "Als aber der Weltverband auf seiner Tagung am 4. September nun noch forderte, dass wir es bis in die untersten Spielklassen einzuführen haben, wurde das als Eingriff in unsere Hoheitsrechte gewertet. Das führte zum Austritt", erklärt Dieter Prenzel, der Präsident des Deutschen Keglerbundes (DKB). Zuvor hatten seine Classic-Kollegen den neuen Modus zähneknirschend für die 1. Liga akzeptiert. "Obwohl wir nicht vom 120er-System überzeugt sind, haben wir nachgegeben, um unseren Spielern das internationale Startrecht nicht zu verbauen."
Prenzel versucht, den drastischen Schritt zu rechtfertigen: "Ich selbst begreife dieses komplizierte System mit einzelnen Wertungen nach gewonnenen Sätzen, Mannschafts- und Zusatzpunkten nicht hundertprozentig. Ich kenne viele Senioren, denen es genauso geht. Die wollen ihr altes System, das sie von Kindheit an gewohnt sind, spielen." Also: "Warum soll ich jenen, die sowieso keine internationalen Ambitionen haben, das Gewohnte verbieten?", fragt der Chef. Prenzel, der beim DKB auch die Interessen der Disziplinverbände Bowling, Schere und Bohle zu vertreten hat, will jedoch an die Vernunft seiner Classic-Funktionäre appellieren. Sie sollen den Schritt noch rückgängig machen.
Denn hinter dem System-Streit stecken auch Eifersüchteleien der Landesverbände. "Die fünf Verbände aus der ehemaligen DDR und Württemberg sind trotz aller Bedenken ja bereit, die Beschlüsse des Weltverbandes umzusetzen", sagt Prenzel. Doch der mitgliederstärkste Verband aus Bayern überstimmte mit seiner Mehrheit das gemäßigte Lager und zettelte die Konfrontation mit dem Weltverband an. "Es ist, als hätten wir Kegler 20 Jahre nach der Wiedervereinigung eine neue Mauer aufgebaut. Diesmal rund um Bayern", sagt Prenzel und gesteht, dass ihn der "Kindergartenstreit so langsam mürbe" macht. Prenzel verspricht, bis zum 1. Januar 2010 zwischen allen Beteiligten vermitteln zu wollen. "Gelingt das nicht, dann richte ich mich auf Schadenersatzklagen aus Zerbst ein."
Der Austritt aus dem Weltkeglerverband erzeugt vor allem in Sachsen-Anhalt eine Stimmung des Unbehagens. Dieter Bär, der Präsident des Landesverbandes, fühlt sich an die Zeiten erinnert, als "ein Start der sehr erfolgreichen DDR-Kegler, unter anderem mit Klubs aus Halle und Mücheln, auf internationaler Bühne in den 70er und 80er Jahren auch untersagt wurde."