Kanada Kanada: Natur und Abenteuer in Manitoba

Winnipeg/dpa. - Für die Indianer hatte Manitoba etwasMagisches. Als die Landschaft vor Jahrtausenden von der Eiszeitgeformt wurde, entstanden mehr als 100 000 Seen. Die Wellen an denUfern verursachten ein geisterhaftes Geräusch. Die Urbewohner desLandes hörten darin Manitu, den Großen Geist, seine Trommel schlagen- so kam Manitoba zu seinem Namen. Die kanadische Provinz, die fastzweimal so groß ist wie Deutschland, hat heute gerade 1,2 MillionenEinwohner. Da bleibt viel Platz für ursprüngliche Natur.
Das Feuer knistert im Kaminofen der Blockhütte, das Holz duftet.Einen Fernsehapparat gibt es nicht. «Fernsehen istSecond-Hand-Erfahrung, viel zu passiv», meint der Gastgeber MurrayImrie. Der gelernte Biologe besitzt einen Ferienreitstall imWhiteshell Provincial Park, einem der größten Naturparks in Manitoba.
Früh am folgenden Tag gilt es, die Welt aus erster Hand zuerleben. Der Morgentau ist noch feucht, als eine kleine Gruppe zuPferde den Reitstall am Falcon Lake verlässt. «Seht ihr diese Spurenda?», fragt Murray Imrie. Deutlich sind im Sand Abdrücke zu erkennen,wie von Hunden, nur etwas größer. «Das Wolfsrudel muss vor gar nichtall zu langer Zeit hier durchgekommen sein», erläutert der Kanadier.Etwa fünf Rudel leben im Whiteshell Park. Auch wenn keine Gefahr fürden Menschen besteht, läuft es den Städtern im Sattel doch kalt denRücken hinunter.
Der Whiteshell Provincial Park im Osten der Provinz Manitobabildet ein großes Refugium für wilde Tiere, er ist aber auch einekulturhistorische Stätte. Der Wanderweg zum «Bannock-Point» folgt derSpur der rätselhaften «Petroforms»: Mitten im Wald tut sich plötzlicheine Lichtung auf, der Boden besteht dort aus glatten Granitplatten,auf denen größere Steine liegen. «Diese "Petroforms" sind Relikteunserer indianischen Vorfahren und 1500 bis 2000 Jahre alt», schätztDaniel Benoit, ein sachkundiger Ökologe. Er deutet auf einzelneSteine, die zu bestimmten Formationen zusammenliegen. EineSchildkröte und eine Schlange sind deutlich zu erkennen.
Die Atmosphäre ist geheimnisvoll. Ein rhythmischer Trommelschlagerklingt - der Herzschlag von Mutter Erde, wie die Indianer glauben.Für sie sind die «Petroforms» heilige Plätze mit magischem Zauber,Tore zu einer anderen Welt. «Unser Schöpfer spricht hier zu uns»,erzählt Ron Bell, ein Kenner der indianischen Philosophie. Häufigkommt er mit seinen Freunden vom Stamm der Anishinabe für religiöseZeremonien zu diesem wundersamen Ort. Plötzlich ist er mit seinerHandtrommel wieder im Dämmerlicht entschwunden. Sein Trommelschlagklingt noch lange in der Ferne.
Auf dem Transkanada-Highway, der das ganze Land durchquert, gehtdie Fahrt Richtung Westen durch die dünn besiedelte Ebene.Getreidefelder, soweit das Auge reicht. Die Prärie erscheintunendlich. Entlang der Bahnlinie stehen immense Kornsilos aus Holz.Dabei können die Farmer nur eine kurze Vegetationsperiode von vierMonaten nutzen, bevor im September die ersten Nachtfröste kommen.
Nach zweieinhalb Stunden tauchen die Hochhäuser derProvinzhauptstadt Winnipeg am Horizont auf, mit 680 000 Einwohnerndie größte Stadt weit und breit. Dort, wo der Red und der AssiniboineRiver zusammenfließen, liegt der Erholungspark «The Forks». SeineSport- und Kulturattraktionen locken besonders am Wochenende vieleBesucher an. Früher herrschte an dieser strategischen Stelle diemächtige «Hudson's Bay Company». Sie trieb die Besiedlung des Landesentscheidend voran. Seit 1670 war ganz Manitoba in ihrer Hand, bisdie kanadische Regierung es 1869 kaufte. Winnipeg war schon damalsZentrum des Handels, vor allem Hauptumschlagpunkt für die in Europabegehrten Felle und Pelze.
Damals wie heute ist das Schicksal der Menschen in Manitoba engmit der Natur verknüpft. Das macht auch ein Besuch im «Museum of Manand Nature» deutlich, das die Lebensbedingungen der Ureinwohner undder ersten europäischen Siedler zeigt. Im angeschlossenen Planetariumwird das Phänomen der Nordlichter erklärt. Wer Glück hat, kann auchin freier Natur die «Northern lights» bestaunen. Vor allem im NordenManitobas tanzen sie über den Abendhimmel und wechseln dabei ständigForm und Farbe.
Im Stadtzentrum von Winnipeg lohnt es sich, im Exchange Districtumherzuschlendern, wo auch nachts noch etwas los ist. In denrenovierten Warenhaus- und Kontorgebäuden aus der Zeit um 1900 sindheute kleine Restaurants, Cafés und Geschäfte untergebracht. DasViertel wird oft als Kinokulisse für historische Filme genutzt.
Mehrere Galerien bieten Kunst der Inuits an, der Eskimos ausNordkanada. Eine hervorragende Sammlung befindet sich in der«Winnipeg Art Gallery». Typisch sind handgeschnitzte Skulpturen ausStein, Elfenbein oder Walknochen. «Seit über einem halben Jahrhundertkaufen und sammeln wir kontinuierlich Inuit-Kunst», erläutert DarleneCoward Wight, die Kuratorin des Museums. «Inzwischen hat sich darauseine eigene kanadische Kunstform entwickelt.»
Im Stadtteil Sankt Bonifaz wohnen die Französisch sprechendenEinwohner von Winnipeg. Kleine Läden und Restaurants bietenfranzösische Kost an. Über die Geschichte der Franco-Kanadier erfährtder Besucher Näheres im Museum von Sankt Bonifaz. Es ist im ältestenGebäude der Stadt untergebracht.
Der Hauch vergangener Zeit weht auch heute noch im Lower FortGarry. Es liegt 32 Kilometer nördlich von Winnipeg. «Diese ehemaligeHandelsniederlassung der Hudson's Bay Company hat sich seit ihrerGründung 1830 kaum verändert», erzählt eine Dame, die im historischenKostüm über das Gelände führt. «Das Fort ist die einzige noch intakteaus Stein gebaute Pelzhandelsstation in ganz Nordamerika.»
Die Touristen werden in das 19.Jahrhundert regelrechthineingezogen. Wer die Augen schließt und in der Schmiede des Fortsdas im offenen Feuer erwärmte Metall klingen hört, im Backhaus denDuft des frisch in einem Holzofen gebackenen Brotes riecht und imPelzlager über die vielen verschiedenen Felle streicht, für den wirddas Leben der frühen Händler fast körperlich spürbar.
Weiter in Richtung Nordwesten ist der Riding Mountain NationalPark zu erreichen, der sich über 3000 Quadratkilometer erstreckt.«Die höchste Erhebung im Park ist mit 756 Metern für die Präriebereits ein hoher Berg», sagt Jim Irwin bei der Begrüßung derBesucher auf seiner Gästeranch am Rande des Parks. Da das Gebietfrüher noch unwegsamer war, konnte es nur durchritten werden, daherder Name «Riding Mountain».
«Die Kratzspuren an diesem Baum stammen von Schwarzbären», sagtJim. Deren Beobachtung gehört zum Spezialangebot des promoviertenVeterinärs, der auch der Gesellschaft für Öko-Tourismus angehört.Sein Motto lautet «Fotos von Bären schießen - nicht die Bärenselbst». In einem alten getarnten Bus kann sich der Tierliebhabersicher verstecken und mit gezückter Kamera und viel Geduld auf Bärenwarten. Einen Bären aus nächster Nähe zu sehen, gehört zu denHöhepunkten eines Urlaubs im Land der Wälder und Seen.
Die Wanderungen durch den Nationalpark zu Fuß oder zu Pferdefolgen historischen Trapper-Wegen - über Hügel und an steilen Hängenentlang durch eine scheinbar vom Menschen unberührte Natur. In derFerne heulen Kojoten. «Wenn wir Glück haben, sehen wir einen Elch»,meint Jim. Zunächst hält die Gruppe vergeblich Ausschau, doch als siespäter nach einer Kanufahrt vor dem Gästehaus sitzt, passiert es: EinElch tapst zum Wasser, um zu trinken. «Das ist einer von etwa 5000 imRiding Mountain National Park», flüstert Jim. Das Tier bietet einenmajestätischen Anblick, keiner kann sich satt sehen.
Am Tag darauf steht ein anderes typisches Prärietier auf demBeobachtungsprogramm: Bisons, die friedlich auf einer großen Lichtunggrasen. «Ende des 19. Jahrhunderts hatten die eingewanderten Europäersie fast ausgerottet», erzählt Jim Irwin. Langsam steuert er das Autodurch die Herde, um den Tieren besonders nahe zu kommen. AlleInsassen drücken ab - doch im Gegensatz zu früher klicken nur dieVerschlüsse der Kameras.

