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Judo Judo: Harte Kinder auf weichen Matten

Von DETLEF ANDERS 10.09.2010, 14:42

QUEDLINBURG/MZ. - Die große Kampfmatte in der Turnhalle der Quedlinburger Bosseschule ist gut gefüllt. Fast 30 Kinder und Jugendliche trainieren Wurf- und Falltechniken. André Januschkowetz und Bernd Albrecht haben alle Hände voll zu tun, um die quirlige Menge zu beobachten, immer wieder einzugreifen und zu korrigieren und ihnen wieder neue Handgriffe beizubringen. Drei mal in der Woche ist die vor genau einem Jahr neu eröffnete Turnhalle Treffpunkt der Quedlinburger Judoka. Bernd Albrecht, Cheftrainer und Vorsitzender des neu gegründeten "Quedlinburger Judoclub 1956" ist stolz auf die rege Beteiligung. Es ist noch nicht lange her, dass die traditionsreiche Kampfsportart, die in Quedlinburg eine lange Tradition hat, sprichwörtlich am Boden lag.

Lothar Sand hatte den Sport 1956 nach Quedlinburg gebracht. Bei Dynamo Quedlinburg lernten viele Kinder und Jugendliche in der Turnhalle des damaligen Volkspolizeikreisamtes Judo. Nach der Wende wurde aus Dynamo der Polizeisportverein mit einer Abteilung Judo. Doch die Turnhalle in der Schillerstraße hatte bauliche Mängel und musste gesperrt werden. "Die Polizei hat nichts mehr gemacht, es war nur noch der Name Polizeisportverein", erinnert sich Christian Prinzhorn, der Vize-Vereinschef. Die Judosportler fanden in der alten Kleersturnhalle vorübergehend ein Domizil.

Nun gründeten sie aus der alten Abteilung einfach einen neuen Verein. Neben Albrecht und Prinzhorn arbeiten Katrin Schoebel als Schriftführerin und Evelyn Lambert als Kassenwartin im Vorstand mit. Dass die neue Turnhalle in der Schulstraße zur neuen Heimat wurde, daran hatte auch der Schulleiter der Bosse-Schule eine kleine Aktie. Schließlich hat Manfred Scherer den 3. Dan im Judo. Ein von den Jugendlichen selbst erarbeitete eindrucksvolle Schau-Vorführung mit Musik zur Turnhalleneröffnung brachte dem Verein einen wahren Ansturm auf die Trainingsmatten. Mund-zu-Mund-Propaganda sorgte für weiteren Zulauf und mache ehemaligen Judoka schickten ihre Kinder zum Schnuppern.

Katrin Schöbel fände es schön, wenn nun die gewachsene Zahl der Anfänger eine eigene Trainingszeit bekämen, um sie von den Fortgeschrittenen abtrennen zu können, doch momentan geht das noch nicht. Drei mal kann jedes Kind ohne Verpflichtungen zum Schnuppern reinriechen, ob das sein Ding ist, erklärt sie. Viele springen wieder ab, doch einige bleiben dabei.

"Judo tut von Anfang an weh", stellt Christian Prinzhorn klar. "Die Fallschule ist das A und O, wenn sie das nicht beherrschen, tun sie sich bei jedem Wurf weh." Aber Judo sei auch eine Mannschaftssportart, weil es grundsätzlich nur zu zweit betrieben werden kann. Doch man muss davon ausgehen, dass der Gegner etwas tut: "der versucht, mich zu bezwingen." Die Kata im Taekwon Do kann man allein machen, verweist Prinzhorn. Dass es Katas auch im Judo gibt, verschweigt er nicht. Diese sind aber nur zu zweit möglich und verlangen eingespielte Teams und gegenseitiges Vertrauen.

Statt Fußball Selbstverteidigung

Der zwölfjährige Wenzel Gernhöfer ist einer derjenigen Weißgurte, die beim MZ-Besuch erst seit wenigen Monaten trainierten, aber Gefallen am Judo gefunden haben. "Ich wollte eine Kampfsportart erlernen, um mich selbst verteidigen zu können, wenn mal etwas passiert", sagt der frühere Schwimmer und Fußballer zu seiner Motivation.

Auch die Eltern begrüßen das Angebot des Judoclubs. "Meine Tochter hatte vom Kindergarten an den Berufswunsch, Polizistin zu werden", erklärt Rocco Vatterodt. Seitdem ist Melanie beim Judo. "Ich finde das gut", lobt der Vater. Einer der von klein auf dabei ist und nun an der Polizeischule in Aschersleben zum Polizisten ausgebildet wird, ist André Januschkewitz. Er ist nicht nur Trainer in seinem Heimatverein, er kämpft auch in der Landesliga Niedersachsen. Dort startet er allerdings für Goslar.

Eltern helfen dem Verein

Auch Bernd Albrecht war einst Polizist bei der Bereitschaftspolizei in Halle. Heute arbeitet der 46-jährige Vereinschef allerdings in der Chemie. Judo betreibt er seit vielen Jahren als großes Hobby mit dem entsprechenden Enthusiasmus. Dabei kann er es auch auch immer auf die Unterstützung der Eltern verlassen, die die Kinder mit zu Wettkämpfen bringen und im Verein mitarbeiten.

Ein Problem sei jedoch oftmals, dass die gut ausgebildeten Karateka, wenn sie den 1. oder 2. Kyu geschafft haben, zur Ausbildung Quedlinburg verlassen und nicht hier bleiben. Doch Albrecht verliert deshalb nicht den Mut. Auch nach den Schwierigkeiten mit der Polizei wurde neu angefangen. "Wir waren schon immer da und wir werden immer bleiben", ist sich der Judo-Club-Chef sicher.

Trainingszeiten sind mittwochs und freitags ab 17 Uhr in der Sporthalle der Bosseschule.