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Jubiläum Jubiläum: «Malocher» mit goldenem Besteck

Von Roland Leroi 19.03.2008, 17:55
Bernard Dietz gilt in Duisburg als Fußball-Ikone. (dpa)
Bernard Dietz gilt in Duisburg als Fußball-Ikone. (dpa) dpa/dpaweb

Duisburg/dpa. - Thunfisch, Geflügel und Krabbensind drin. Dietz hat ihn schon so oft gegessen, dass der Wirt denSalat irgendwann «Enatz» genannt hat. Die kleine Geste passt zumfrüheren Nationalspieler (53 Einsätze) und Europameister, der andiesem Samstag seinen 60. Geburtstag im Familienkreis feiert. Mitgroßem Rummel um seine Person konnte er noch nie viel anfangen.

Dass er in Duisburg den Rang einer Fußball-Ikone hat, macht Dietzdennoch stolz. 394 Bundesliga-Partien bestritt der gelernte Schmied,der während seiner Gesellenzeit zwei Finger verloren hatte, zwischen1970 und 1982 für die «Zebras» und wurde zum Prototyp des«Malochers». «Marschieren, kämpfen und den Fußball genießen, das warmeine Welt», sagt Dietz, der als Linksverteidiger am 5. November 1977sein erfolgreichstes Ligaspiel machte. Beim 6:3-Sieg gegen BayernMünchen gelangen ihm vier Tore. «Ein Wahnsinn, da kommt der kleineArbeiter aus Westfalen daher und schießt als Gegenspieler von Karl-Heinz Rummenigge die Bayern ab», erinnert er sich lächelnd.

Seinen größten Triumph feierte Dietz 1980, als er die deutscheNationalelf beim 2:1-Finalsieg über Belgien als Kapitän zum EM-Titelin Italien führte. Er ist wohl der einzige Duisburger Fußballer, derjemals mit goldenem Essbesteck speisen durfte. «1980 beim Empfang imFeinschmecker-Restaurant Alfredo vor dem Finale in Rom wurde mirdiese Ehre als Kapitän zuteil», erzählt Dietz. Dass der Kellnerständig hinter ihm stand, hat er nicht vergessen: «Der hatte wohlAngst, dass ich die Löffel klaue.»

Mit dem MSV erreichte der im westfälischen Bockum-Hövel geboreneFußballer das DFB-Pokalendspiel (1975) und das UEFA-Cup-Halbfinale(1979). Die Zeitungen tauften seinen Club kurzerhand in «MSVDietzburg» um. Als er nach dem Erstliga-Abstieg 1982 kein neuesAngebot erhielt, habe er geweint und wechselte zu Schalke 04 (101Bundesligaspiele). «An den ersten Trainingstagen bin ich immer anGelsenkirchen vorbeigefahren und steuerte in Gedanken versunkenDuisburg an.»

Als Junioren- und Zweitliga-Trainer beim VfL Bochum bildete Dietzspäter Talente wie Paul Freier, Frank Fahrenhorst und Stefan Wächteraus, doch bald schon habe er gespürt, dass seine Werte nicht mehrgefragt seien. Er konnte es nicht ertragen, dass Spieler ohne Freudezum Training kamen und er sich nachher vor den Beratern für seineAufstellungen rechtfertigen musste. «Mir ging es nie ums Geld, aberheutzutage wird um jeden Cent gefeilscht, obwohl Einsatz undLeidenschaft nicht stimmen», meint Dietz, der nach seiner BochumerZeit vier Jahre in der MSV-Jugendabteilung arbeitete. Nach einemabschließenden Engagement beim Regionalligisten RW Ahlen beschloss er2006 desillusioniert: «Ich brauche den Trainerjob nicht mehr.»

Rückblickend bereut Dietz nur, dass er 2002 als erfolgreicherInterimscoach beim MSV das Zweitligateam nach nur sechs Spielenfreiwillig wieder verlassen hatte. «Ich hätte das durchziehen müssen,Duisburg ist schließlich mein Verein», sagt Dietz. Heute spielt ernur noch in der Fußballschule seines Sohnes Christian mit Kindern undist regelmäßiger Stammgast in der MSV-Arena. Hier richtet der Clubeine Woche nach dem 60. Geburtstag eine Gala für seinen berühmtestenFußballer aus. «Meine Frau organisiert das heimlich mit, ich weißaber schon, dass über 400 Gäste geladen sind», sagt Dietz, der sichdann auch einen großen «Enatz-Salat» schmecken lassen will.