Interview mit Werder-Spieler Boenisch Interview mit Werder-Spieler Boenisch: «Wir können Großes schaffen»
Warschau/MZ. - Herr Boenisch, Sie waren lange Zeit verletzt. Wie geht es Ihnen?
Sebastian Boenisch: Es geht mir sehr gut. Das Knie bereitet mir keine Probleme mehr. Ich war in den letzten Tests dabei, bin startklar!
Bei Werder Bremen kamen Sie in der vergangenen Saison nur vereinzelt zum Einsatz. Fühlen Sie sich mental und von der Spielpraxis her fit für eine Europameisterschaft?
Boenisch: Auf jeden Fall. Im Endspurt der Saison durfte ich bei Werder noch in einigen Spielen ran. Das hat mir sehr gut getan. Außerdem bereiten wir uns mit der Nationalmannschaft lange genug vor. Ich spüre das Vertrauen von Trainer Franciszek Smuda und hoffe und glaube, dass ich bei der EM zur Stammelf gehören werde.
Sie sind 1987 im schlesischen Gliwice geboren, leben aber seit frühester Kindheit in Deutschland. Ist es da nicht ein sonderbares Gefühl, für die polnische Nationalelf zu spielen?
Boenisch: Ich spiele von ganzem Herzen für Polen. Wir haben zu Hause immer polnisch gesprochen, und als Kind habe ich die Ferien oft in meiner Heimat verbracht. Ich fühle mich als Pole. Da ist nichts Sonderbares dabei.
Sie haben allerdings auch schon für deutsche Junioren-Nationalmannschaften gespielt. Wurden sogar 2009 U-21-Europameister. Wie kam es danach zu der Entscheidung für den weißen und gegen den schwarzen Adler auf der Brust?
Boenisch: Die Verantwortlichen in der polnischen Nationalmannschaft haben sich enorm viel Mühe gegeben, mich zu gewinnen. Sie haben mir großes Vertrauen geschenkt. Deshalb ist mir die Entscheidung am Ende leichtgefallen. Mein Herz hat entschieden.
In der deutschen Elf spielen außer Miroslav Klose und Lukas Podolski auch Mesut Özil, Jerome Boateng und andere mit ausländischen Wurzeln. Ist es gerechtfertigt, von Nationalmannschaften zu sprechen?
Boenisch: Natürlich, die Jungs fühlen deutsch und spielen für ihr Land. Ich besitze die deutsche und die polnische Staatsangehörigkeit. Letztlich ist es eine emotionale Entscheidung und keine Frage der Abstammung.
Die polnische Torwartlegende Jan Tomaszewski hat gefordert, Polen dürfe sich "nicht durch Franzosen und Deutsche repräsentieren lassen". Er meinte Sie, aber auch Ludovic Obraniak, der für Bordeaux spielt. Trifft Sie das?
Boenisch: Mich trifft das nicht. Ich finde es eher traurig, dass sich ein verdienter Mann wie Tomschewski, der 1974 Dritter bei der WM war, so kurz vor einem so großen Turnier nicht einfach hinter die Mannschaft stellt, statt so zu reden. Mein Herz schlägt polnisch, ich bin hier geboren und musste wegen der Situation meiner Familie auswandern. Das war Ende der 80er Jahre, noch zu Zeiten des Kommunismus. Heute ist Polen glücklicherweise anders.
Sie sprechen Polnisch, Obraniak und auch Damien Perquis vom FC Sochaux haben Schwierigkeiten damit. Wie verständigen Sie sich auf dem Platz?
Boenisch: Alle in der Mannschaft können Englisch sprechen, also verständigen wir uns meist auf Englisch. Aber was ändert das?
Sie bereiten sich derzeit intensiv vor. Bekommen Sie etwas von der Stimmung im Gastgeberland mit?
Boenisch: Natürlich. In Polen ist die EM ein riesiges Ereignis. Umso größer ist meine Freude, dass ich dabei sein und mitwirken darf.
Worauf freuen Sie sich besonders bei Ihrer Heim-EM?
Boenisch: Auf die Fans! Diese Unterstützung kann uns weit bringen. Wir können zu Hause Großes schaffen.
Halten Sie ein polnisches Sommermärchen für möglich?
Boenisch: Auf jeden Fall. Wir haben eine dankbare Gruppe mit Griechenland, Russland und Tschechien und werden von der ersten bis zur letzten Minute kämpfen. Wir haben ein starkes Team mit sehr guten Spielern. Denken Sie an die drei deutschen Meister von Borussia Dortmund...
Sie sprechen von Lukasz Piszczek, Jakub Blaszczykowski und Robert Lewandowski.
Boenisch: Ja, und im Tor steht mit Wojciech Szczesny von Arsenal London ein echter Klassemann. Die sind alle hungrig auf die EM.
Welche Ziele haben Sie persönlich?
Boenisch: Wichtig ist, dass ich fit bleibe. Aber wir alle wollen gute Spiele zeigen, möglichst oft gewinnen und am Ende Europameister werden. Ich persönlich auch.