Interview mit Thomas Bach Interview mit Thomas Bach: «Viel Verständnis für ihren Kampfeswillen»
Hamburg/dpa. - «DerKontakt ist nie abgerissen», sagte der oberste deutscheSportfunktionär in einem Interview der Deutschen Presse-Agenturdpa. Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat «vielVerständnis für ihre menschliche Situation und ihrenKampfeswillen». Ob er an die Unschuld der 38 Jahre alten Berlineringlaube, wollte Bach nicht beantworten: «Ich bin kein Experte fürBlutkrankheiten.»
Pechstein, Pechstein und kein Ende. Wann haben Sie zuletzt mit ihroder ihren Vertretern Kontakt gehabt?
Bach: «Der Kontakt ist nie abgerissen. Wir standen auch vor undwährend der Winterspiele in Vancouver in Kontakt mit ihr.»
Wie bitte? Das hört sich nach Versöhnung an. Wollen Sie ihr die Handreichen?
Bach: «Nochmal, es gab immer einen Austausch, und die Gesprächewerden fortgesetzt. Wir haben Claudia Pechstein bis zumrechtskräftigen Urteil, an das wir als DOSB gebunden sind, mit derUnschuldsvermutung in Schutz genommen und auch die menschlicheDimension des Falls beachtet.»
Das sieht die Beschuldigte anders. Sie wetterte in Vancouver, 'vomCAS war wohl nichts anderes zu erwarten, zutiefst enttäuscht bin ichaber von der DOSB-Spitze. Vor allem von Thomas Bach'...
Bach: «Sie hat mit ihrer Beschwerde über mangelnde DOSB-Unterstützungvielleicht außer Acht gelassen, dass sie sportlich nicht fürVancouver qualifiziert war. In der Sache richtete sich die Klageeigentlich gegen die sportlich qualifizierten Athletinnen, die dannauf so dramatische Weise die Goldmedaille in derMannschaftsverfolgung gewannen. Der DOSB ist von ihr, im übrigen ohnejede vorherige Information trotz des bestehenden Kontakts, mit derKlage auf Nominierung für diese Mannschaft überzogen worden.»
Ein harmonisches Verhältnis sieht anders aus...
Bach: «Der DOSB ist nicht Teil des jetzt laufenden Verfahrens. DerDOSB ist an die internationale Rechtsprechung von CAS und desSchweizer Bundesgerichts gebunden. Wir haben der Situation vonClaudia Pechstein auch dadurch Rechnung getragen, dass wir IhremWunsch auf Ruhen ihrer persönlichen Mitgliedschaft entsprochen habenstatt nach dem rechtskräftigen Urteil ein Ausschlussverfahreneinzuleiten.»
Nervt es Sie eigentlich, dass die Causa Pechstein jetzt schon überMonate das sportliche Geschehen in den Hintergrund drängt?
Bach: «Ich habe viel Verständnis für ihre menschliche Situation undihren Kampfeswillen. Die persönlichen Gespräche sind vonbeiderseitigem Respekt geprägt, aber ich würde mir wünschen, dass sieden Respekt, den sie für sich einfordert, auch den anderen Athleten,der NADA, den Gerichten und dem DOSB entgegenbringt, die alle anrechtskräftige Urteile gebunden sind.»
Nachdem renommierte Hämatologen bei Pechstein eine Blutanomaliefestgestellt haben, fordert sie, dass das Verfahren neu aufgerolltwird. Inwieweit glauben Sie als Jurist an Pechsteins Unschuld?
Bach: «Ich bin kein Experte für Blutkrankheiten, deshalb werde ichmich mit juristischen Einschätzungen zurückhalten. Für einWiederaufnahmeverfahren muss geprüft werden, ob es neue Erkenntnissein diesem wissenschaftlichen Streit gibt, die im vorherigen Verfahrennicht berücksichtigt wurden. Und es muss untersucht werden, wiewissenschaftlich nachprüfbar diese Erkenntnisse sind. In einWiederaufnahmeverfahren gehört diese Prüfung auch hin, da sichwissenschaftliche Fragen nicht auf einer Pressekonferenzen oder beiMeinungsumfragen entscheiden lassen, sondern durch das dafürzuständige, international anerkannte Gericht.»
Was bedeuten die neuen Erkenntnisse für den indirekten Doping-Nachweis?
Bach: «Der indirekte Doping-Nachweis wird sich aufgrund des WADA-Codes auf alle Fälle durchsetzen. Klar ist aber auch, dass wir dasUrteil respektieren werden, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.»
Halten Sie einen Freispruch Claudia Pechsteins für möglich?
Bach: «Ich kann nicht den Respekt vor den Gerichten einfordern undmich gleichzeitig an solchen Spekulationen beteiligen.»