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Hamburger SV Hamburger SV: Das Gewissen des HSV steht im Tor

Von Franko Koitzsch 27.10.2004, 15:51

Hamburg/dpa. - Martin Pieckenhagen ist die moralische Instanz desHamburger SV. Wenn der Torwart Tacheles redet, geht es um Berufsehre,Verantwortung, Leistungsbreitschaft und Selbstkritik. Zuletzt hatteer mit seiner Brandrede nach der 0:2-Heimpleite gegen ArminiaBielefeld, der die Entlassung von Coach Klaus Toppmöller folgte, fürAufsehen gesorgt. Die Mannschaft habe den Trainer rausgeschmissen,ihm Woche für Woche «in den Arsch getreten», zürnte der Torwart undbekannte: «Viele sind mit sich zufrieden, das ist das Problem.»

Mit seiner schonungslosen Kritik macht sich der gebürtige Berlinernicht nur Freunde. «Wir müssen ja nicht alle miteinander Freund sein.Aber wir wollen gemeinsam Erfolg haben, deshalb müssen wir eingemeinsames Ziel verfolgen», sagt der 32-Jährige. «Wenn es nichtläuft, muss sich jeder an die eigene Nase fassen und nicht die Schulddem anderen zuschieben.»

Pieckenhagen nimmt sich und andere in die Pflicht. Das imponiertTrainern und Vorstand. «Martin füllt in der Mannschaft eine Rolleaus, die kein anderer übernehmen kann», versichert Sportchef DietmarBeiersdorfer. «Er ist so etwas wie der Wächter über Werte undTugenden.» Der gelernte Elektronik-Facharbeiter, der für den MSVDuisburg, Hansa Rostock und den HSV bereits 200 Bundesliga-Spielebestritten hat, verteidigt aber genauso engagiert die Mannschaft,wenn er sie zu Unrecht attackiert sieht. So geschehen am vergangenenSonntag nach dem Sieg bei Borussia Dortmund, als er in der DSF-Live-Sendung «Doppelpass» anrief und sich gegen Vorwürfe verwahrte.

Dabei hatten Beobachter bis vor kurzem noch den Eindruck, deroffensive und kritische Pieckenhagen hat sich nach seinerlangwierigen Knieverletzung in der vergangenen Saison größereZurückhaltung auferlegt. Neun Monate war er wegen einesKreuzbandrisses zum Zuschauen gezwungen. In dieser Zeit sei der Druckdes Alltags von ihm abgefallen. «Vor meinem Kreuzbandriss war ichsehr verbissen», meint er. Jetzt dagegen sei er «sehr vielfreundlicher und entspannter». Zu seinem neuen Selbstverständnisbeigetragen hat auch seine im September geborene Tochter Leni.

Seit Saisonbeginn ist Pieckenhagen wieder die Nummer eins zwischenden HSV-Pfosten. Sein sechs Jahre jüngerer Rivale Stefan Wächter, derihn während der langen Zwangspause vertrat, sitzt ihm aber im Nacken.Die Chancen stehen nicht schlecht, dass «Piecke» auch nach Ablaufseines Vertrages im nächsten Sommer beim HSV bleibt. «Martin hat derMannschaft in den vergangenen Wochen seinen Wert gezeigt», sagtSportchef Beiersdorfer, was sich wie ein neues Vertragsangebotanhört.