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Halle live Halle live: Die Band der Partyböller

Von Oliver Seifert 03.11.2003, 15:11

Halle/iposa. - Wer seine Kneipentour gleich zur angesetzten Anfangszeit von Halle live startete, aus Motiven, denen hier nicht nachgegangen werden soll, der latschte problemlos und zügig durch die Kneipen, traf dafür aber so gut wie keine Band an. Funkstille überall und viel Platz. “Ähm, sollte jetzt hier nicht eine Band spielen? – Keine Ahnung, ich bin nur der Einlasser. Im Programmheft steht alles. – Oh, danke.” Pünktlichkeit ist keine Tugend, die generell von Vorteil ist. Ganz und gar nicht. Bei einem Kneipenfestival ist sie eher Zeichen für Spießigkeit. Denn so ein Kneipenfestival, wohl aus einer Bierlaune heraus unter Tabaknebel entstanden, so lässt ein Blick auf die Sponsoren schließen, ist eine hochverdichtete Rock`n`Roll- Veranstaltung. Und Rock`n`Roll hat seine eigenen Regeln. Grundregel: Rock`n`Roll ist stets unpünktlich, denn er ist ja nicht spießig.

Im Barfüß tat sich auch Stunden später nichts. Die Band Barefooted hatte am Morgen abgesagt. Wahrscheinlich haben die Musiker kalte Füße bekommen. Im Zanzibar saßen zwei ältere Herren im Schaufenster – einer am Keyboard, einer am Schlagzeug. Das Eckfenster im Unikum war für The Roadie Tries eingeschwärzt worden. Die Band rockte fast unter dem Kronleuchter und überraschte mit einem very special guest. Er war nicht aus Chicago oder Chemnitz angereist, sondern, wenn wir in der vorletzten Reihe richtig verstanden haben, aus der Böckstraße. Sin Fronteras hatten das Enchilada mit lässigem Hüftschwung geentert. Zu ihrer lateinamerikanischen Strandfete tanzten schöne Strandmädchen ihren Strandboogie, sogar die Sponsorenwimpel hüpften im Takt.

So pulsierte das Kneipenfestival feuchtfröhlich seinem Höhepunkt, dem Abschlusskonzert im Urania 70, entgegen. Dort, wo es zu später Stunde für rappelvolle Locations sorgte, war es ganz bei sich: Es bescherte den in einer Nacht- und Nebelaktion zu Clubs aufgerüsteten Lokalen und Restaurants, Bars und Cafés allesamt den Ausnahmezustand.

Anstatt wie alle Tage mustergültig die Ereignislosigkeit zu verwalten, dröhnten hier nun fröhliche Musikanten an einem Ort, der sonst von bedächtigen, tuschelnden Gästen zur Einnahme des Feierabendgetränks oder -menüs genutzt wird. Wanderwillige Musikfreunde trafen auf sesshafte Stammkundschaft, Sesselfurzer auf Tresensteher. Sie kamen zusammen, sie gingen wieder auseinander.

Allesamt durften sie im Drei Kaiser Schrilli Mc Lilli bewundern. Gleich rechts neben der Eingangstür hatten sich die Musiker postiert, die extra montierten Scheinwerfer stülpten sich wie Trockenhauben über ihre Köpfe. Eine heiße Partynacht, nicht nur für die Band, die sich durch die Rockhits aller Zeiten coverte. “I can‘t get no Satisfaction”, drang es bis auf die Straße, und da taten sie einem doch etwas leid, wie sie so eingezwängt waren, ununterbrochen die Stimmung mit Partyböllern befeuern mussten, Stund` für Stund`, und dann: “No Satisfaction”. Im Café Noir sorgten die Blauen Sterne mit ihrem kraftvollen Barjazz für Stimmung. Sie packten die Gäste an den Ohren, an den Beinen; kaum jemand, der das Erscheinen der Blauen Sterne einfach nur relaxt aussaß. Das Aufregendste waren einmal nicht Dick und Doof, die sich im Rücken der Combo – als filmische Kulisse – genüsslich kappelten.

Den großen Auftritt der Vier Schönen im Urania 70, für zwei Uhr in der Früh angekündigt, haben wir dann leider verschlafen. Ganz nach der Grundregel, erste Ableitung: Rock`n`Roll ist stets unpünktlich, denn er ist ja nicht spießig. Und meist ist er auch sehr ausrechenbar.