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Fußball-WM 1970 Fußball-WM 1970: «Ich weigere mich, das 3:4 anzusehen»

Von Gerd Müller 13.05.2002, 19:43

München/MZ. - Eines Tages ging ich zu Helmut Schön und batihn: "Uwe oder ich! Trainer, bitte entscheidenSie sich." Doch Schön spielte auf Zeit. Nochvor unserem Abflug nach Mexiko beraumte erin Frankfurt eine Sitzung an, doch wiedererklärte er sich nicht. Zwei Tage vor demersten WM-Auftritt wussten Uwe und ich immernoch nicht, wer spielen würde. Nur eines warklar: Schön hatte uns einen gemeinsamen Bungalowzugeteilt - und wir beide verstanden uns prima.Wir hatten nicht das kleinste Problem miteinander,nicht einmal mit dem Umstand, dass das warmeBadewasser pro Tag immer nur für eine Wannereichte - wir arrangierten uns eben.

Und dann das letzte Training vor dem WM-Auftritt:Schöns A-Auswahl maß sich gegen die B-Elf.Überraschung: Uwe spielte in der A-Auswahl- und ich ebenfalls. Wir hatten beide diegleiche Chance von Schön bekommen, das warfair. Der Unterschied aber war: Uwe traf,ich wieder nicht. Schön versetzte mich inder zweiten Halbzeit ins B-Team. Und auf einmaltraf auch ich wieder. Mit drei Treffern stellteich den Trainer erneut vor eine schwierigeEntscheidung. Sie lautete am Ende: Uwe spielteim ersten Spiel mit Helmut Haller auf rechts,ich zentral vorne.

Wir spielten nicht gut gegen Marokko, abersowohl Uwe als auch ich schossen ein Tor zumerzitterten 2:1. Gegen Bulgarien änderte Schönseine Taktik: Haller musste draußen bleiben,Stan Libuda spielte Rechtsaußen, Uwe und ichbildeten die Doppelspitze. Wir trafen wieder:Uwe ein Mal, ich machte gleich drei Tore -es lief blendend. Bis zu diesem traurigen3:4 gegen Italien im Halbfinale. Ich habemir hinterher dieses Spiel noch nie angeschautund werde es auch niemals tun. Ich weigeremich, diese Niederlage anzusehen, denn ichweiß: Ich würde heulen vor Zorn.

Es ist zwar schon über 30 Jahre her, aberich weiß heute noch, dass ich den Sigi Held,der den Fehler vor dem 2:2 gemacht hat, spontanhätte umbringen können. Obwohl er so ein lieberKerl ist. Und den Willi Schulz habe ich auchnicht verstanden. Zwei Stunden lang hat derWilli den Boninsegna hart, aber fair bekämpft,und ihm wirklich nichts geschenkt. Und dannlässt er ihn in der 120. Minute links draußeneinfach laufen und zur Mitte passen - wo Riverastand und das Siegtor für die Italiener machte.Unglaublich.

Obwohl ich 1974 im eigenen Land doch nochWeltmeister geworden bin, gibt es für michkeinen Zweifel - 1970 war das schönere Turnier.Wir hatten eine Super-Stimmung, wir hattenSpaß und wir spielten voller Begeisterungin dieser Mannschaft.