Fußball Fußball: Schönste Nebensache der Welt verliert ihren Charme
WITTENBERG/MZ. - Bei den Kindern und Jugendlichen ist Fußball nicht unbedingt die schönste Nebensache der Welt. Viele Vereine haben Probleme, ihre Mannschaften zu besetzen, Spielgemeinschaften halten den Betrieb am Laufen und sind Stammgäste im Liga-Alltag. Mit dem Jugendausschuss-Vorsitzenden des Kreisfachverbandes Wittenberg, Achim Golly, unterhielt sich MZ-Mitarbeiter Thomas Tominski über dieses Problem.
Der FC Grün-Weiß Piesteritz stellt drei Verbandsliga-Teams. Ist der Verein das Aushängeschild im Landkreis?
Golly: Ja und Nein. Der Verein bietet allen interessierten A- bis C-Kickern die Möglichkeit, höherklassig zu spielen. Andererseits muss ich sagen, dass die Qualität in der Verbandsliga nachgelassen hat. Sorgenkind Nummer eins ist derzeit der A-Jugend-Bereich. Mit TuS Magdeburg, Buna Halle und Dessau 05 haben sich drei Mannschaften innerhalb der Saison aus dem Spielbetrieb zurückgezogen, weil ihnen nicht genügend Fußballer zur Verfügung standen. Ab der nächsten Serie sind in der Verbandsliga Spielgemeinschaften und Gastspielgenehmigungen zugelassen. So kann das Problem Teilnehmerrückgang zumindest verlagert werden. Denn in ein paar Jahren fängt der Spuk wieder von vorn an.
Worin sehen Sie die Ursachen, dass König Fußball bei den Kindern und Jugendlichen nicht mehr die Nummer eins ist?
Golly: Ein großes Problem ist die fehlende Perspektive. Viele Jugendliche absolvieren ihre Lehren in den alten Bundesländern und kommen danach nicht wieder zurück. In den letzten Jahren haben sich die Interessensschwerpunkte verschoben. Keiner hat mehr richtig Bock, seinen Körper zu fordern, Lustlosigkeit am Sport bestimmt das Denken. Trotzdem bin ich der Meinung, dass der Fußball Glück im Unglück hat. Denn in anderen Disziplinen sieht es in Sachen Personal noch trostloser aus.
Muss der Fußball vielleicht reformiert werden, um die Teenager bei Laune zu halten?
Golly: Ein bisschen kann ich die Jugendlichen auch verstehen. Denn gerade in den höheren Klassen finden die Spiele immer am Sonntag statt. Manche sind dann den ganzen Tag unterwegs und hängen ihre Schuhe irgendwann an den Nagel. Viele A-Jugendliche kicken lieber in der zweiten Männermannschaft mit, um den Sonntag frei zu haben. Es gibt derzeit erste Überlegungen, die Kreisliga A / B- und C-Jugend abzuschaffen und die Teams in die Landesliga zu integrieren. Dies würde in jedem Fall den Anreiz bieten, dass die Jungs nicht ständig gegen die gleichen Gegner antreten.
Welche Baustellen muss der Kreisfachverband beräumen?
Golly: Viele. Es gibt derzeit eine Kreisliga A / B-Jugend. Dies hört sich im ersten Moment für einen Laien total spannend an. Doch viele Mannschaften müssen schon C-Kicker integrieren, um die Mannschaften überhaupt voll zu bekommen. Das sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Auf dem Platz herrscht ein Altersunterschied von sechs Jahren. Diese Tatsache macht die Sportart Fußball nicht unbedingt attraktiver. Die C-Jugend ist das größte Problem im Kreis. Selbst der FC Grün-Weiß Piesteritz fährt zweimal in der Woche mit dem Bus durch den Landkreis und sammelt die Kinder ein, in deren Orten der Verein kein Team zusammenbekommt.
Gibt es neben den vielen negativen Dingen auch positive?
Golly: Richtig ans Herz gewachsen ist mir die F-Jugend. In der Saison 2001 / 02 verfügte der Kreis gerade mal über drei Mannschaften dieser Altersklasse. Inzwischen ist die Anzahl auf 18 angewachsen. Auch die D-Jugend startet seit Jahren in der Kreisliga mit 14 bis 16 Teams durch. Hier haben die Vereine Großes geleistet. Auch der Bambini-Bereich entwickelt sich prächtig. Beim diesjährigen Cup der Mitteldeutschen Zeitung waren zehn Mannschaften am Start. Ein bisschen Aushängeschild für den gesamten Landkreis ist für mich Allemannia Jessen. Die Schwarz-Weißen besitzen genügend Kinder und müssen nicht auf die Lösung Spielgemeinschaft setzen.
Ist das Problem Mitgliederrückgang ein kreisspezifisches?
Golly: Nein, das ist ein bundesweites Problem. Wir haben unser Nachwuchskonzept eigentlich auf ein breites Fundament gebaut. Doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es aus Sand anstatt aus Beton besteht. Der Nachwuchs rieselt uns weg, den Vereinen fehlt der Unterbau für die Männerteams. Einige Nachwuchschefs sollten aufhören, nur durch ihre Vereinsbrille zu schauen.