Frauen WM Frauen WM: «Bajramaj hat nicht mehr die richtige Balance»

BERLIN/MZ. - Bernd Schröder hat vor 40 Jahren aus einer Laune heraus das Training der Frauen von Turbine Potsdam übernommen. Bis heute ist der studierte Bergbauingenieur der Chef bei den "Turbinen". In der DDR gewann der frühere Torwart von Lok Leipzig sechs Meistertitel, im größer gewordenen Deutschland sind es bisher fünf Meisterschaften (drei in Folge) und 2010 ein Triumph in der Champions League. Der 68-Jährige polarisiert mit seiner direkten Art. Ende Juni verleiht ihm der Bundespräsident das Bundesverdienstkreuz. Mit ihm sprach Jürgen Ahäuser.
Herr Schröder, am Dienstag hat der Deutsche Fußballbund den Vertrag mit Bundestrainerin Silvia Neid verlängert. Haben Sie ihrer speziellen Freundin schon gratuliert?
Schröder: Nein, das habe ich noch nicht. Es ist ja bekannt, dass ich zu ihr ein distanziertes Verhältnis pflege. Wenn sie mir am Sonntag beim Eröffnungsspiel über den Weg läuft, dann werde ich ihr auch die Hand schütteln. Es haben bestimmt schon viele gratuliert, darunter allerdings auch einige Heuchler. Der Zeitpunkt ist ja auch verwunderlich. Da sollte wohl in dem ganzen Trubel noch mal Aufmerksamkeit auf die Trainerin gelenkt werden.
Es scheint, als gönnten Sie Silvia Neid den Erfolg nicht?
Schröder: Das stimmt nicht. Ich habe auch nie gesagt, dass sie keine Ahnung vom Fußball hätte. Mich stört, dass sie uns gegenüber den Respekt vermissen lässt. Ich hätte schon erwartet, dass sie sich beim Champions-League-Finale in London den deutschen Meister mal angeschaut hätte.
Sie haben ihr in dem Zusammenhang vorgeworfen, sie denke wohl, die Mauer stünde noch.
Schröder: Es gehört sich, auch mal in der Bundesligasaison zu einem Verein wie Potsdam zu kommen, der ja nicht gerade der letzte in Deutschland ist. Das wäre doch auch mal eine Reverenz an diese Mannschaft gewesen.
Ärgert es Sie, dass nur drei ihrer Spielerinnen im WM-Kader stehen?
Schröder: Nein, auch wenn ich mir das gewünscht hätte. Ich will hier nur Anna-Maria Sarholz nennen, die mit links die zweitbeste Torhüterin ist. Aber wir spielen ja auch ein ganz anderes System als das National-Team.
In dem Frankfurter Manager Siegfried Dietrich gibt es einen weiteren ganz speziellen Freund von Bernd Schröder.
Schröder: Siggi Dietrich und ich haben eine völlig konträre Philosophie. Dietrich hat vom Frauen-Fußball so viel Ahnung wie ein Eunuch von der Liebe. Er verdient sein Geld mit dem Fußball. Ich bekomme nach 40 Jahren als Trainer immer noch kein Gehalt. Der Verein hat mir das angeboten. Ich habe abgelehnt. Wir betreiben hier seit 40 Jahren Frauen-Fußball in zwei verschiedenen Gesellschaftssystemen, und das mit Erfolg. Wenn ich das schon höre: Profitum im Frauen-Fußball. Dietrich muss mir doch nicht den Fußball erklären.
Es gibt aber kaum eine Bundesliga-Spielerin, die nicht gern von ihrem Sport auch finanziell profitieren würde.
Schröder: Das tun sie ja auch. Die Frauen und Mädchen haben aber eine andere Vorstellung vom Leben, sie wollen studieren, arbeiten, sich selbst entscheiden. Dass das geht, hat Birgit Prinz vorgemacht. Alles andere ist illusionär. Wir bräuchten Strukturen, die bis in die zweite, wenn nicht dritte Liga professionell wären. Die haben wir aber nicht.
Ein heftiges Scharmützel haben Sie sich mit dem Frankfurter Manager auch um den Wechsel von Fatmire Bajramaj geliefert.
Schröder: Die Frankfurter haben schon im Januar an ihr gegraben. Das Mädel war vom Kopf her lange nicht mehr bei uns. Wir haben wegen der Situation um sie das Pokalfinale und das Endspiel der Champions League verloren. Wenn eine Spielerin nach Vertragsende weg will, ist das okay, aber es muss Offenheit herrschen. Die Lira ist doch bis jetzt nicht, was sie bei uns mal war. Schauen Sie doch mal auf ihre Leistung in der Nationalmannschaft. Das ganze Gezerre und das viele Drumherum, das beeinträchtigt sie. Sie hat nicht mehr die richtige Balance zwischen Sport und dem Anspruch, das Gesicht der WM zu werden.
Nun ist der WM-Zug ins Rollen gekommen und viele erhoffen sich davon den nötigen Dampf, um den Frauen-Fußball in Deutschland noch besser aufstellen zu können.
Schröder: Auf den Zug sind viele aufgesprungen, die dem Frauen-Fußball bisher alles andere als nahe standen. Ich sehe hier die Gefahr, dass hier vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern etwas hochgejubelt wird, was nach der WM dort fast nicht mehr stattfindet. Der Zuschauer will aber gar nicht bevormundet werden. Bei all den Jubelarien kann er sich schnell veralbert vorkommen. Niemand soll so tun, als seien alle WM-Teilnehmer Top-Mannschaften.
Die Erwartungen an das deutsche Team sind riesengroß. Teilen Sie die?
Schröder: Wenn wir mit dieser Mannschaft, diesen taktischen Möglichkeiten, dieser Vorbereitung und allem, was im deutschen Frauen-Fußball steckt, nicht Weltmeister werden, wäre das schon ein Frevel. Es gibt im Moment keine bessere Mannschaft.
Und dann rennen die Fans den Bundesligavereinen die Bude ein?
Schröder: Ganz bestimmt nicht. Wir haben in der vergangenen Saison einen Schnitt von 1 800 Zuschauern gehabt. Die meisten haben nur 600 bis 800 Zuschauer. Vielleicht kommen nach der WM 200 mehr.
Sie befürchten also, dass von dem Hype nicht allzu viel übrig bleibt?
Schröder: Wir sollten uns nichts vormachen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Männer, die sich bisher nur für Männer-Fußall interessieren, plötzlich scharenweise zu den Frauen kommen. Vielleicht kommen am Anfang ein paar, um die eine oder andere Weltmeisterin, wenn es denn so kommt, zu sehen. Unsere Klientel ist eine andere: Familien und Frauen. Es ist auch keine Frage der Spielstärke. Wir können noch zehn mal Weltmeisterinnen werden, so schnell wird sich im Alltag nichts ändern.