1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Formel 1: Formel 1: Milchbubi mit viel Selbstironie

Formel 1 Formel 1: Milchbubi mit viel Selbstironie

Von Ralf Bach 15.09.2008, 14:00

Halle/MZ. - «Ich glaube nicht, dass sich mein Leben ändert.Ich bin immer noch der, der ich vorher war», versicherte der jüngsteGrand-Prix-Sieger der Geschichte bescheiden nach dem Sensationserfolgvon Italien. Angst, dass der aufziehende Hype um seine Person seinbislang relativ beschauliches Leben wie einst beim damaligenJung-Star Michael Schumacher komplett umkrempeln könnte, hat derToro-Rosso-Pilot nicht: «Das wird sich alles wieder legen.»

Schumacher schwärmte: «Das, was Sebastian vorgeführt hat, war 1A.»Der Rekord-Weltmeister und heutige Ferrari-Berater bescheinigteseinem Kumpel das Potenzial, eines Tages den Titel holen zu können.Dreifach-Champion Niki Lauda lobte die Leistung des Senkrechtstartersals einzigartig: «Er hat ein Riesentalent, aber er denkt auch.»Weltmeister Keke Rosberg garantierte: «Das war mit Sicherheit nichtsein letzter Erfolg. Da kommen noch mehrere.»

Im internationalen Blätterwald rauschte es gewaltig. Die englische«Times» titelte: «Ein Star ist geboren.» Die italienische«Tuttosport» schwelgte: «Vettel - das goldene Baby von Monza.» In derösterreichischen Heimat der Toro-Rosso-Besitzer Dietrich Mateschitzund Gerhard Berger feierte die «Kronen-Zeitung» den «Wunderknaben»und «neuen Publikumsliebling», der «Kurier» rühmte «Herrn VettelsGespür für Tempo».

Der neue Kronprinz der Königsklasse konnte sein Glück nach seinerDoppelpremiere mit Pole-Position und Sieg kaum fassen: «Ein Traum istwahr geworden. Ich werde wohl einige Tage brauchen, bis ich dasrichtig realisiert habe.» Trotz aller Freude schätzte das für seinAlter äußerst reif und abgeklärt wirkende Super-Talent den Triumphrichtig ein. «Ich bin realistisch genug. Man kann nicht erwarten,dass wir die nächsten Rennen gewinnen.»

Toro Rosso kann mit den Top-Teams nicht mithalten. Monza dürftebis auf weiteres eine «Eintagsfliege» bleiben, was die einzigartigeLeistung aber nicht schmälert. Toro-Rosso-Teilhaber Berger, vor 20Jahren selbst Monza-Sieger, betonte zurecht: «Der Sieg war absolutherausgefahren. Da war kein Glück oder Zufall dabei. Es war einfacheine super starke Leistung von Team und Fahrer.»

Eine spontane Feier mit dem italienisch-österreichischen Underdog-Team am Rennabend, zwei Tage Ausspannen in seiner SchweizerWahlheimat Walchwil am Zugersee mit Freundin Hanna - dann folgt schonwieder die Alltagsroutine. «Ich bereite mich bei den Tests in Jerezauf den nächsten Grand Prix vor und fliege am Samstag nach Singapur»,schilderte der sympathische Jungspund aus dem hessischen Heppenheimsein Programm dieser Woche.

Vettel ist der sechste deutsche Formel-1-Sieger. Vor ihm gewannenWolfgang Graf Berghe von Trips (2), Jochen Mass (1), RekordhalterMichael Schumacher (91), Heinz-Harald Frentzen (3) und RalfSchumacher (6) Grand Prix. In der 59-jährigen Formel-1-Geschichte istVettel der 101. Sieger.

Obwohl erst 21 Jahre alt und erst 22 Rennen gefahren, hat derChampion in spé schon einige Bestmarken aufgestellt: Er holte alsjüngster Pilot eine Pole-Position, ist der jüngste Sieger, derjüngste Debütant mit einem WM-Punkt, der jüngste Spitzenreiter beieinem Grand Prix und auch der jüngste Teilnehmer an einem offiziellenTraining. Vettel aber misst dem keine Bedeutung bei: «Ich weiß nicht,wie viele Rekorde ich jetzt halte.»

Vettel verfolgt völlig andere Ziele. «Den Ehrgeiz, Weltmeister zuwerden, gibt es. Aber ob ich der jüngste werde, ist mir egal», sagteer. «Mein Ziel in der Zukunft ist es, zu einem der drei Top-Teams zukommen.» Wird die Formel-1-Hierarchie nicht komplett auf den Kopfgestellt, bietet nur ein Cockpit bei McLaren-Mercedes, Ferrari oderBMW eine echte Titelchance. Nach seinem Wechsel zu Red Bull 2009 mussder «Jungbulle» aber zumindest in den beiden nächsten Jahrenversuchen, im A-Rennstall des Energy-Drink-Milliardärs Mateschitzseinen Aufstieg fortzusetzen.