Dubai Dubai: Im Königreich der Kräne
Halle/MZ. - Leila Arbouz wollte es nicht mit ansehen. "Man kann nicht immer nur Neues bauen, man muss auch seine Wurzeln bewahren", glaubt sie.
Die gebürtige Kölnerin, als Tochter eines Marokkaners in Deutschland aufgewachsen, begann einen geduldigen Kampf. Und sie gewann. Da die maßgeblichen Familien Dubais ihre Wurzeln allesamt in den bescheidenen zweistöckigen Häusern am Fluss haben, wurde das Areal nicht abgerissen, sondern aufwendig saniert. Heute beherbergt das Projekt "Sahary Gate" im originalgetreuen Ambiente Künstlerateliers, ein beschauliches Caféhaus und Tagungsräume.
Ringsum aber rasen die Uhren. Dubai, als zweitgrößtes der Vereinigten Arabischen Emirate durch Erdöl zu Reichtum gekommen, baut sich eine Zukunft für die Zeit nach dem Öl. Der Staub, der wie ein Schleier über Dubai City liegt, weht nicht aus der nahen Wüste herüber. Er steigt aus unzähligen Baugruben auf, aus denen himmelstürmende Wolkenkratzer wachsen.
Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktoum, der milliardenschwere Regent, hat aus dem Kleinstaat das Königreich der Kräne gemacht. Ein Viertel aller Baukräne der Welt stehen hier aufgereiht an einer Küste, die nicht viel länger als die der Insel Rügen ist. Allein in Downtown werden im Augenblick 100 Hochhäuser gleichzeitig aus dem Boden gestampft. Jedes einzelne wird mehr als 300 Meter hoch sein und doch kaum einen Blick anziehen: Gegen den Burj Dubai, der mehr als 800 Meter Höhe erreichen soll, werden die Glasbeton-Paläste wie Einfamilienhäuser aussehen.
Dabei weiß derzeit nicht einmal Scheich Maktoum, wie hoch der Burj Dubai genau wird. Das richte sich ganz danach, wie hoch andere bauen, erklärt Abdullah M. bin Lahej von der Baugesellschaft Emaar, die das 1,5 Milliarden Euro teure Gebäude bis Dezember kommenden Jahres fertig stellen will. Im Wettlauf um das höchste Haus zählen nicht Stockwerke und Zusatzkosten, es zählt nur der Sieg. Jede Woche wächst das Haus um weitere zwei, drei Stockwerke, über 400 Meter ist es inzwischen hoch. Verkauft waren die meisten der 1 000 Apartments noch ehe überhaupt ein Stein gesetzt war.
Wichtig ist, das Größte zu haben, das Höchste und Teuerste, denn das allein kann dem Wüstenflecken den Platz auf der Weltkarte des Tourismus verschaffen, den er im Galoppsport schon erobert hat. Vor 13 Jahren gründete Scheich Maktoum die Godolphin-Stallungen mit Platz für tausende Pferde, holte ausländische Trainer und ließ eine riesige Rennbahn in die Wüste fräsen. 1996 startete dort erstmals der Dubai World Cup, das mit sechs Millionen Dollar Preisgeld höchstdotierte Rennen der Welt. Inzwischen holten Galopper aus Dubai mehr als 130 Siege bei den ganz großen Rennen.
Geld macht alles möglich. Geld zieht Geld, Geld bringt Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeit bringt wieder Geld. Vor 15 Jahren gab es ganze 300 Firmen im Land, heute sind es 5 000. Einnahmen aus dem Ölverkauf machen nur noch 13 Prozent der Staatseinnahmen aus, den Rest verdient das Emirat mit Handel und Tourismus. Die Wachstumsraten sind atemberaubend: Vor zwei Jahren kamen fünf Millionen Touristen, in vier Jahren sollen es schon 15 Millionen sein. Neben dem viertgrößten Containerhafen der Welt wird derzeit der größte gebaut, als Ergänzung für den Flughafen Dubai, der 70 Millionen Passagiere im Jahr bewältigen kann, entsteht nebenan der weltgrößte Airport mit einer Kapazität von 120 Millionen Passagieren.
Dubai, an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien gelegen, sprengt alle Grenzen. Das Projekt "The World" bildet die Erde als Gewimmel von künstlichen Inseln nach. Der nach dem gleichen Prinzip vor der Küste aufgeschütteten Privatinsel-Lagune "The Palm" folgen inzwischen Palme zwei und drei. Dubai Land, so groß wie Berlin und mitten in der Wüste gelegen, wird eine Versammlung von Vergnügungsparks, Erlebniscentern und Malls, gegen die selbst das weltgrößte Disneyland wie ein Vorstadt-Spielplatz wirken wird.
Gerade mal 200 000 Staatsbürger zählt das Emirat, mehr als 50 000 von ihnen sind heute schon Dollar-Millionäre. Der Rest der 1,3 Millionen Einwohner kommt aus Europa und Asien und lebt mit einem Aufenthaltsrecht im Lande, das genau so lange gilt wie der jeweilige Arbeitsvertrag. Wer keinen Job mehr hat, muss nach Hause fliegen. Dass allerdings, erklärt Mahmud Lazhari, passiere kaum, weil überall Leute gesucht werden. "Ich habe vor vier Jahren als Reinigungskraft angefangen", sagt der Pakistani. Zweimal hat er die Stelle gewechselt, inzwischen arbeitet er zum vierfachen Gehalt als Kellner in einem großen Hotel. In Dubai bleiben aber würde er nicht wollen: "Meine Familie wartet zu Hause."
Auch für Leia Kassem ist das gar keine Frage. "Sie sind zum arbeiten hier", sagt die Ehefrau eines hochrangigen dubaiischen Staatsangestellten, "also müssten sie gehen, wenn es keine Arbeit mehr gäbe." Das, meint die Frau, die mit Mann, zwei Kindern und fünf Luxuslimousinen in einer Villa im teuersten Viertel von Dubai City lebt, sei eben Teil der Abmachung.
Die beinhaltet auch, dass Dubais Staatsbürger keine Steuern zahlen müssen, ihren Strom, ihr Wasser und ihr Gas kostenlos erhalten und Männer zur Volljährigkeit ein Baugrundstück und 25 000 Dollar Baugeld geschenkt bekommen. Noch einmal soviel gibt es zur Hochzeit, wenn die Braut ebenfalls Staatsbürgerin ist.
"Wir leben hier im Paradies", ist Leia Kassem denn auch sicher. 322 Tage im Jahr Sonnenschein über glasklarem Meer. Die Ski-Halle zehn Minuten vom kilometerlangen Sandstrand. Das Hauspersonal aus Schweden, das Lieblingsauto aus Deutschland. Leia Kassam sieht optimistisch in die Zukunft: "Heute stehen wir doch erst am Anfang", sagt sie.