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Doping Doping: Deutsche Reiterei in der Not

Von Michael Rossmann und Karl Morgenstern 10.10.2004, 15:03
Bettina Hoy nimmt auf Ringwood Cockatoo ein Hindernis. (Foto: dpa)
Bettina Hoy nimmt auf Ringwood Cockatoo ein Hindernis. (Foto: dpa) DPA

Hamburg/dpa. - Entsetzen, Rechtfertigungsversuche, Angst um dieZukunft, und die vage Hoffnung auf die B-Proben - der deutschePferdesport steckt nach einer erschreckenden Reihe von Doping-Fällenin einer Krise von noch ungeahntem Ausmaß. «Das alles ist natürlicheine absolute Katastrophe für unseren Sport», sagte Ludger Beerbaum.Deutschlands erfolgreichster Springreiter übernahm am Wochenende ineiner ganzen Serie von Interviews die wesentliche Verantwortung fürden Doping-Fall seines Pferdes Goldfever, der die deutscheSpringreiter-Equipe voraussichtlich die olympische Goldmedaille vonAthen kosten wird. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) kündigteam Samstag an, die Untersuchung der B-Probe zu beantragen.

Doch die Hoffnung, das die zweite Analyse ein anderes Ergebnisbringt als die am Freitag bekannt gewordene erste, ist gering. BeiGoldfever war der verbotene, in einer Salbe enthaltene WirkstoffBetamethason entdeckt worden. Beerbaum geht es zunächst vor allemdarum, dass sein Ruf als seriöser Pferdemann keinen Totalschadenerleidet. «Ich bin kein Doper», sagt der (noch) fünfmaligeOlympiasieger und Weltranglisten-Erste, «ich werde alles tun, um denVorwurf der Manipulation auszuräumen.»

Bei seinen Mannschaftskollegen Christian Ahlmann, Otto Becker undMarco Kutscher hat sich der 41 Jahre alte Profi-Reiter aus Riesenbeckentschuldigt, «doch natürlich habe ich ihnen gegenüber ein großesProblem», sagt Beerbaum. Das Trio wird wahrscheinlich auf den Bronze-Platz zurückgestuft. Kutscher rückt als Einzel-Vierter auf dendritten Rang vor, falls dem irischen Olympiasieger Cian O'Connorebenfalls Gold aberkannt wird. Dessen Pferd Waterford Crystal war inAthen auch positiv getestet worden. O'Connor sollte am Samstag beieiner landesweit im TV übertragenen Veranstaltung zum irischen Manndes Jahres gekürt werden - die Feier musste abgesagt werde.

Beerbaum will nun alles tun, um seinen Fall «rücksichtslosaufzuklären». Noch ist unklar, welche Rolle die Tierärzte, diePferdepflegerin und Beerbaum selbst gespielt haben. Er selbst habevon dem verbotenen Wirkstoff nichts gewusst, und auch nicht davon,dass dieser in die Blutbahn eindringen konnte. Klar sei nur, dassGoldfever wegen eines «Exems im Fesselbogen» im Verlauf der Saisonetwa 20 Mal mit der Salbe behandelt worden sei. «Auf Grundmenschlicher Schwächen hat der eine auf den anderen vertraut,verschiedene Personen sind der Verantwortung nicht gerecht geworden.»Niemand sei auf den Gedanken gekommen, die Medikamentierung in Athendem Weltverband anzumelden.

Vieles deutet auf einen Fall von Schlamperei hin. «Dahinter stecktkein System, aber eine Erklärung habe ich auch nicht», versichert derebenfalls fassungslose FN-Generalsekretär Hanfried Haring. Den erstengroßen Fall hatte sein Verband im vergangenen Jahr mit derDressureiterin Ulla Salzgeber (Bad Wörishofen) in Göteborg, dannfolgte die positive A-Probe der Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum (Thedinghausen) beim Weltcup-Finale im April in Mailand.

Und am Freitag schockierte die Reitsport-Fans schließlich dieBekanntgabe von vier neuen Fällen, die die deutsche Reiterei in denGeruch einer Doping verseuchten Sportart bringen. Neben Beerbaum gehtes um die bereits wegen eines Regelverstoßes in Athen bestrafteVielseitigkeitsreiterin Bettina Hoy und ihres ebenfalls einer«verbotenen Medikamentierung» verdächtigten Pferdes RingwoodCockatoo. Bettina Hoy hatte durch eine Entscheidung desInternationalen Sportgerichtshofs (CAS) noch in Athen dieOlympiasiege in der Einzel- und Mannschaftswertung verloren.Ebenfalls positiv waren die A-Proben bei dem Pferd Picasso des KölnerVoltigierers Kai Vorberg und bei Mary von Vierspännerfahrer MichaelFreund.

«Die Dopingvorwürfe gegen Ludger Beerbaum und Bettina Hoy sindkatastrophal für den gesamten deutschen Sport und besondersimageschädigend für die Reiterei in unserem Land», sagt Manfred vonRichthofen (Berlin), Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB). «Ichkann nicht verstehen, wie erfahrene und gestandene Sportler, aberauch Ärzte so leichtfertig mit der Verabreichung von Medikamentenumgehen, ohne zuvor die internationalen Gremien von der Notwendigkeitin Kenntnis gesetzt zu haben. Das ist eine ausgesprochene Dummheit,die unserem Sport, der ja Vorreiter für die Sauberkeit sein will, argzusetzt.»

In jedem Fall drohen ein immenser Imageschaden und damit auchfinanzielle Verluste. «Natürlich muss die Reiterei jetzt fürchten,dass potente Sponsoren, die wir unbedingt brauchen, abspringen», sagtPeter Rathmann, der Organisator des an diesem Wochenendeausgetragenen Reitturniers in Kiel. Rathmann meint: «Das alles kannganz schlimme Folgen haben.»