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Das Leben des Karl Plättner Das Leben des Karl Plättner: Diese Welt ist nicht zu retten

Von Steffen Drenkelfuss 17.04.2001, 16:43

Es war eine Episode am Rande der 1921in Mitteldeutschland tobenden Märzkämpfe.Am Morgen des Ostermontags stürmten fünf bewaffneteArbeiter die Chemische Fabrik Buckau bei Ammendorf.Mit Karabinern und Handgranaten ausgerüstet,zwangen die Freischärler den überraschtenFabrikdirektor Konrad Banse zur Herausgabesämtlicher im Firmentresor befindlichen Gelder.Dass es sich bei der Beute von 32000 Markum Lohngelder für die dort beschäftigten Arbeiterhandelte, störte die Räuber nicht. "Das schadetnichts, das kriegen die Arbeiter alles wieder",erklärte der Anführer, ein kleiner schmalerMann mit auffallend stechenden dunklen Augen.

Der Fabrik-Direktor konnte sich später genauan den Coup erinnern, an den Verrat des Vorsitzendendes Betriebsrates, der nicht nur den Beutetippgab, sondern sich am Raub auch beteiligteund an den charismatischen Anführer der verwegenenProletarierschar. Mit dieser erstmaligen "Expropriationder Expropriateure" sollte dieser Anführer -Karl Plättner - seine damals legendäre Formdes Linksterrorismus in der Weimarer Republikbegründen.

Es ist das große Verdienst des "Zeit"-JournalistenVolker Ullrich, den längst vergessenen, vielleichtkompromisslosesten Anarcho-Kommunisten seinerZeit, den gelernten Former und propagandistischen"Wanderprediger" Karl Plättner wieder entdecktzu haben. In der sehr gut lesbaren und dennochwissenschaftlichen Ansprüchen voll auf gerechtwerdenden Biografie spürt man den vom Autorbetriebenen Forscheraufwand. So sind erstmalsQuellen aus vormals versiegelten DDR-Archivenerschlossen worden. Die offizielle DDR-Geschichtsschreibungschwieg das "klassenfremde, weil anarchistischeElement" lieber tot und instrumentalisierteideologie-immanent - wenn auch erst sehr spät -den ebenfalls mythenumwobenen Rädelsführerdes Märzaufstandes, Max Hoelz.

Dabei war es Plättner, der von seinem VorbildHoelz animiert, den "roten Terror" in seintheoretisches Konstrukt des "organisiertenBandenkampfes" einbaute und eine zeitlangerfolgreich betrieb. Das geglückte Kommandounternehmenin der Chemischen Fabrik inspiriert das Mitgliedder radikalen Kommunistischen ArbeiterparteiDeutschlands (KAPD) zu einem eigenen - vonder KPD abgelehnten - politischen Konzept,um der "historische Mission der Arbeiterklasse"zum Erfolg zu verhelfen.

Im massenhaft verbreiteten Manifest "Der organisierterote Schrecken - Kommunistische Paradearmeenoder organisierter Bandenkampf im Bürgerkrieg"spricht der fast manische Züge aufweisendePlättner Klartext: "Terroristische Kampfmethoden"und "systhematische Enteignungen" sollen diekapitalistische Gesellschaft zermürben. "Habtihr keine Waffen, so habt ihr doch Streichhölzer -steckt die Villen der Besitzenden in Brand,holt euch Dynamit und lasst keinen Stein aufdem anderen, denn diese Welt ist nicht mehrzu retten."

Plättner - 1893 in Opperode bei Ballenstedtgeboren - zieht von 1921 bis 1922 eine Spurder Überfälle durch ganz Mitteldeutschland,immer per Flugblatt die im Nachkrieg hungerndenMenschen auffordernd, sich den "kommunistischenRäuberbanden" anzuschließen. Plättners eigenerAnspruch ist es, dass erbeutete Geld, abzüglichentstandener "Kosten" und "Löhnung" dem arbeitendenVolke zugute kommen zu lassen. Auch wenn dergrößte Teil des Geldes in den Taschen derPolit-Diebe verschwand, glaubte Plättner daran,dass sein Beispiel der kommunistischen Revolutionin Deutschland neuen Auftrieb geben würde.