Christian Schreiber Christian Schreiber: Im Internet den Zwillingen ganz nah
Halle/MZ. - Dass im Moment alles etwas eingeschränkt ist, nimmt Ruderer Christian Schreiber gern in Kauf. Der Balkon ist zugestellt mit Wäschetrocknern und -körben. Doch das ist ein sichtbares Zeichen für das größte Glück der Schreibers: die Zwillinge Karl-Johann und Richard, die am Freitag ein Vierteljahr alt werden.
"Wunschkinder, aber so was von Wunschkinder, das kann man gar nicht beschreiben", sagt Susann, Christian Schreibers Ehefrau. Obwohl die Schwangerschaft mit den Sprösslingen alles andere als einfach für sie war. Ein Vierteljahr lang hat sie im Krankenhaus zugebracht. Gerne hätte Christian sie dabei mehr unterstützt. Doch er war meist weit weg. Im Trainingslager oder bei Weltcuprennen. Der tägliche Kontakt übers Telefon musste da ausreichen.
Dafür gab's anderweitig Zuspruch und Hilfe. Zum Beispiel von Christians Eltern Christine und Edgar, die auch jetzt als stolze Großeltern, immer wieder gern als Babysitter einspringen. "Wir haben Christian schon frühzeitig zum Sporttreiben ermuntert. Als es mit dem Handball nicht so recht klappen wollte und er auch das Schwimmen wegen einer Chlorallergie aufgeben musste, ist er dann eben bei den Ruderern gelandet", erzählt die gelernte Chemie-Ingenieurin Christine Schreiber.
Erste Trainerin in Weißenfels war Dagmar Ritter, durch deren Schule Ruder-Größen wie Ulf Sauerbrey, Andreas Hajek und Christoph Zimmermann gingen. "Wir haben auch sofort zugestimmt, als Christian auf das Sportgymnasium in Halle wollte und damit schon sehr zeitig der Auszug aus der elterlichen Wohnung besiegelt war. Wir wussten, wir konnten uns auf ihn verlassen. Er war zuverlässig und selbständig genug, um mit dieser neuen Situation klar zu kommen", sagt die Mutter.
Sie wurde nicht enttäuscht. Trotz der Doppelbelastung mit Schule und dem Leistungssport, trotz aller Verlockungen des Internatslebens baute er sein Abitur mit dem bemerkenswerten Notendurchschnitt von 1,9.
Auf das intensive Familienleben muss Christian Schreiber noch ein wenig verzichten. Drei Tage blieben ihm nach dem letzten vorolympischen Trainingslager im österreichischen Kärnten, um zu Hause mal wieder nach dem Rechten zu schauen - und dann doch wieder für vier Wochen weit weg auf der anderen Seite des Erdballs zu sein. Dort will er sich in China den Traum von einer Olympia-Medaille erfüllen. "Natürlich Gold", sagt Susann bestimmt.
Am liebsten wäre sie selbst mit dabei gewesen. Wie zuvor schon bei den Olympischen Spielen in Athen oder bei den Weltmeisterschaften in Eton und München. "Doch für eine so lange Zeit fern von den Zwillingen zu sein, dagegen sprach dann neben den ganzen organisatorischen Problemen vor allem die Vernunft", sagt sie.
Und Christian kann dank moderner Technik auch im fernen China seinen Kindern ganz nahe sein. "Wir haben uns extra eine Webcam gekauft, damit er täglich im Internet seine Familie sehen kann. Außerdem sind jede Menge Fotos und ein paar Kuscheltiere mit in seinem Olympiagepäck", sagt Susann.
Nach China soll die Familie Vorfahrt im Leben von Christian Schreiber haben. "Als allererstes will ich mein Wirtschaftswissenschafts-Studium zu Ende bringen und mich intensiv um eine berufliche Anstellung kümmern", erzählt Christian. An ein mögliches Ende seiner Ruder-Karriere will er dabei aber noch nicht denken. "Ich werde 28 Jahre alt. Ich fühle mich stark genug, auch nach vielleicht ein, zwei Jahren wieder ganz von vorn zu beginnen", sagt er.
Die lukrativen Reiseziele, die einen Weltklasse-Ruderer erwarten, könnten dafür den entscheidenden Anstoß geben. "Immerhin ist die Weltmeisterschaft 2010 in Neuseeland", sagt Schreiber. Die würde er dann wahrscheinlich mit einer ganz neuen Rudergeneration bestreiten. "Schon jetzt sitzen neben meinem alten Magdeburger Weggefährten Rene Bertram mit Stephan Krüger und Hans Gruhne zwei 19-Jährige im Boot."