Buhmann Boateng - Löw wirbt um Fairness für Bruder
Sciacca/dpa. - Was Jérome Boateng über das brutale Foul seines Halbbruders denkt, war zunächst nicht bekannt. Bundestrainer Joachim Löw sah den Anlass gegeben, nach dem bitteren WM-Aus von Michael Ballack um Unterstützung für den nahen Verwandten von Kevin-Prince Boateng zu werben.
«Ich habe ihm gesagt, dass wir absolut vorbehaltlos zu ihm stehen. Er ist zwar Familienmitglied, aber er ist völlig unbeteiligt. Ich bitte alle, ihn in die Sache nicht hineinzuziehen», sagte Löw im Trainingslager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Sizilien. Löw wandte sich auch an die Medien: «Ich bitte Sie, ihn nicht ins Visier zu nehmen.» Ins Visier geraten ist dagegen der Halbbruder des Abwehrspielers vom Hamburger SV, Kevin-Prince Boateng. Der 23-Jährige hatte Ballack im englischen Pokalfinale so brutal gefoult, dass der DFB- Kapitän für die Weltmeisterschaft ausfällt. «Ich bin unendlich traurig, dass Michael Ballack durch ein solches Foul um seine WM- Teilnahme gebracht wird», sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger.
Boateng dagegen, der in der Vergangenheit für die deutsche U-21- Auswahl gespielt hatte, soll in Südafrika für den dritten und letzten deutschen Gruppengegner Ghana auflaufen. Er hatte sich im Gegensatz zu seinem Halbbruder sportlich für das Land seines Vaters entschieden: Den Pass Ghanas hat er schon, kürzlich gab auch der Weltverband FIFA Grünes Licht für seine WM-Teilnahme.
Sein Böses-Buben-Image wollte er eigentlich längst abgelegt haben, doch nach dem brutalen Tritt gegen den wichtigsten Spieler im Löw- Ensemble steht Kevin-Prince Boateng vor allem in seinem Geburtsland Deutschland mehr denn je als Buhmann da. «Boateng läuft Gefahr, eine Hassfigur in Deutschland zu werden», schrieb die Online-Ausgabe der britischen Zeitung «The Sun». Und während er in Internetforen vielfach als «Staatsfeind Nr. 1», bezeichnet wurde, mochte Bundestrainer Joachim Löw dem Übeltäter «keinen Vorsatz» unterstellen.
Der gebürtige Berliner Kevin-Prince Boateng ist seit seinen Jugendzeiten als großes Fußball-Talent, aber auch als großspuriger und disziplinloser Spieler bekannt. Kevin-Prince und Jérome haben denselben Vater, aber verschiedene Mütter. Der jüngere Bruder Jérome (21) ist in Wilmersdorf aufgewachsen, einem gutbürgerlichen Stadtteil Berlins. Kevin wurde als eine Art Ghetto-Kind im Wedding groß, war mitten drin im sozialen Brennpunkt.
Sein älterer Bruder George, früher ebenfalls ein großes Fußball-Talent, verschenkte seine Chance durch Schlägereien und Randale. Für Jérome, der jüngste der drei Boatengs, war Kevin immer eine Leitfigur: Sie haben viel zusammen unternommen, von Kino bis Basketball - und natürlich Fußball.