Brasilien Brasilien: Denkmal der «Kautschukbarone» im Urwald
Manaus/gms. - Manaus verdankt sein Opernhaus den «Kautschukbaronen», die Endedes 19. Jahrhunderts unermesslichen Reichtum ansammelten. Es ist kaumvorstellbar, dass in der von Fieberkrankheiten geplagten Stadt damalsMusiktheater auf dem Niveau europäischer Metropolen anzutreffen war.Ensembles mit Chor und Orchester reisten von Europa mit Requisiten,Bühnendekoration und Kostümen per Schiff direkt ins 1600 Kilometertief im Dschungel gelegene Manaus, wo sie für üppige Gagen auftraten.
In Manaus saß das Geld locker, und wer es im Übermaß hatte, gab esmit vollen Händen aus. So luden die «Kautschukbarone» auch EnricoCaruso, den Startenor seiner Zeit, zu einem hoch dotierten Gastspielein - jedoch offenbar ohne Erfolg. «Es gibt keine Beweise dafür, dassder italienische Sänger hier auf der Bühne gesungen hat», stellteschon vor Jahren der Historiker Mario Ypiranga Monteiro fest.
Die Quelle des Reichtums stand im Regenwald. Dort zapften seit densechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gering entlohnte Arbeiter denLatex, den milchigweißen Saft des Kautschukbaumes, und gewannen soden Rohstoff für Gummi. Amazonien stieg zum Weltmarktführer diesesProdukts auf. Die schnell reich gewordenen Plantagenbesitzer undHändler ließen sich in Manaus standesgemäße Häuser bauen. DasMaterial wurde aus Europa importiert: Das noch erhaltene Gebäude derHafenverwaltung wurde Stein für Stein aus Schottland herangebracht,die gußeiserne Markthalle kam per Schiff aus Frankreich. 1882 gab dieStadtverwaltung den Auftrag zum Bau eines repräsentativen Opernhausesan ein portugiesisches Unternehmen. Die Arbeiten begannen 1884.
Manaus besaß schon vor 1900 eine elektrische Stromversorgung, einKanalsystem und die erste Straßenbahn Südamerikas. EleganteKaufhäuser boten Waren aus Europa an, die Luxusrestaurants erreichtenPariser Niveau. Der Champagnerverbrauch bewegte sich aufRekordniveau, bei den Juwelieren klingelten die Kassen.
Am Silvesterabend des Jahres 1896 fuhren die in Abendkleid undFrack gekleideten Spitzen der Gesellschaft mit ihren Kutschen vor demim neoklassizistischen Stil errichteten Opernhaus vor und lauschtenin tropischer Schwüle der Darbietung einzelner Arien. AmilcarePonchiellis «La Gioconda», als Werk zur Eröffnung des Opernhausesgedacht, ging aus technischen Gründen erst sieben Tage später überdie Bühne. Zur Aufführung war ein italienisches Ensemble angereist.
«Das Haus bestach damals schon durch seine perfekte Akkustik»,sagt Joao Pinheiro, ein Musiker, der heute im Orchester spielt. «Aberleider gibt es derzeit nur sporadisch Aufführungen.» Besucher könnenauch an den Tagen ohne Vorstellungen gegen eine Eintrittsgebühr dasGebäude besichtigen. Die Führungen zeigen auch die eleganten Salons.
Der Zuschauerraum mit seinen drei Rängen strahlt die Atmosphäreder «Belle Epoque» aus: Als Farben dominieren das Gold der Wände unddas Rot der Bestuhlung. Der 15 Meter hohe Bühnenvorhang zeigt eineDarstellung des Zusammenflusses der Ströme Rio Negro und Solimoes,die sich ein paar Kilometer östlich von Manaus zum Amazonas vereinen.Fast 700 Plätze gibt es, davon 250 im Parkett. «Eine Klimaanlagesorgt für angenehme Temperaturen», erzählt Pinheiro.
Das Klima hatte schon 1929, 1962 und 1974 aufwendige Sanierungennotwendig gemacht. Nach drei Jahren Renovierungsarbeiten war das«Teatro Amazonas», wie sein offizielle Name lautet, zuletzt MitteMärz 1990 wieder eröffnet worden.