Boxen Boxen: Abraham nach Punktsieg gegen Stieglitz wieder Weltmeister
Halle (Saale)/Berlin/MZ. - Das zerbeulte Gesicht von Robert Stieglitz machte Worte überflüssig. Drei klaffende Wunden - zwei über den Augen und eine weitere unter dem linken - zeugen von brutal harten Schlägen, die der Boxprofi hatte einstecken müssen. Gleich nach dem blutigen Arbeitseinsatz sind die Cuts in der Kabine der Berliner O2-Arena genäht oder wegen der enormen Schwellungen geklebt worden.
Doch noch viel schmerzhafter als die wuchtigen Geraden, Auf- und Seitwärtshaken, die dem Magdeburger so zugesetzt haben, ist für Stieglitz die Gewissheit, dass sein Titel erst einmal futsch ist. Weltbester Supermittelgewichtler des Verbandes WBO ist nunmehr Arthur Abraham. Den Lokalmatadoren haben alle Punktrichter vorn gesehen: zwei mit 116:112 Zählern, einer punktete 115:113.
Deshalb sprach am Tag eins nach der Degradierung sein Promoter für den seelisch und körperlich mitgenommenen Ex-Champion. „Das Urteil geht so in Ordnung“, musste Ulf Steinforth zugeben. Und dennoch sei er stolz auf seinen Jungen, schickte Stieglitz’ Chef gleich hinterher, „obwohl er durch seine Verletzungen gehandicapt war, hat er bis zuletzt alles versucht, um den Kampf noch zu drehen“.
Vor allem das linke Auge habe sich als hinderlich erwiesen. Das war ab der siebten Runde gar nicht mehr zu sehen - und damit konnte auch Stieglitz die drohende Gefahr in Form der Attacken Abrahams nicht mehr wahrnehmen. „Das hat Robert abgelenkt, sonst hätte er bestimmt noch zwei, drei Runden mehr für sich entscheiden können“, ist Steinforth überzeugt.
Die Niederlage allein an der Verletzung festzumachen, wäre aber zu einfach. Klar ist: Der für seine hammerharten Schläge bekannte Herausforderer Abraham war auch der taktisch Bessere. Stieglitz versuchte, mit seinem Trommelfeuer zu Beginn einer jeden Runde Druck zu machen, blieb aber oftmals in der sicheren Doppeldeckung Abrahams hängen.
Dieser wiederum konnte jeweils hinten heraus mit seinen Treffern, die Stieglitz bis ins Mark erschütterten, die Punktrichter beeindrucken. Bemerkenswert für einen Boxer, der in den letzten Kämpfen auf die taktischen Marschrouten seines Trainers Ulli Wegner gepfiffen hatte.
Nach seinen enttäuschenden Niederlagen im hoch dotierten Super-Six-Turnier hat Abraham das drohende Karriere-Aus nun erst einmal abgewendet. „Das war ein sehr emotionaler Moment. Ich bin glücklich und sehr stolz“, schluchzte der neue Champion. Er hat seine dreijährige titellose Zeit beendet und darf nun wohl wieder auf lukrative Angebote hoffen.
Dass er am 15. Dezember in Nürnberg den für ihn und seinen Boxstall so wichtigen Gürtel verteidigen will, steht jetzt schon fest. Gegen wen noch nicht. Ein potenzieller Gegner hängt schon in der Warteschleife: Robert Stieglitz.
„Wir haben vor dem WM-Kampf vereinbart, dass es einen Rückkampf geben wird“, sagte Steinforth am Sonntag der MZ. Obgleich Abrahams Management um Wilfried Sauerland nach dem Kampf andeutete, dass eine Neuauflage nur schwer zu vermarkten sei. Viel Zeit will Steinforth nicht ins Land ziehen lassen.
„Aufbaukämpfe braucht Robert nicht“, sagt der Magdeburger, „er ist mental stark genug, die Niederlage wegzustecken.“ Wenn die körperlichen Blessuren verheilt sind, stehe er bereit.
Noch ein anderer Deutscher hatte sich ins Gespräch gebracht. Mittelgewichts-Weltmeister Felix Sturm hatte seine Bereitschaft signalisiert, in das nächsthöhere Limit aufsteigen und sich mit dem Sieger duellieren zu wollen.
Es bleibt abzuwarten, ob er das wirklich tut. Denn sicher hat auch er sich den neuen Arthur Abraham angesehen.