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Boofen in der Sächsischen Schweiz

Von Thilo Mischke 13.07.2007, 09:42

Bad Schandau/dpa. - Ein dichtes Blätterdach schützt vor der Sonne. Der Trampelpfad führt zu einer steilen Steinwand. Keine Markierung, keine Imbissbude, kein anderer Spaziergänger weit und breit - und das auf einem Kernwanderweg in der Sächsischen Schweiz.

Es ist eine Wanderung durch eine Natur, die fast schon wie ein Urwald wirkt. Kein Geräusch ist zu hören bis auf das zarte Rauschen des Windes durch die Wipfel der Bäume. Der Waldboden ist mit Blaubeeren bedeckt, Farne ranken sich nach Sonnenlicht. Dazwischen liegen immer wieder große Sandsteinformationen, grünes Gestrüpp versperrt den Weg.

Christoph Adrian steht der Schweiß auf der Stirn. Mit seinem schweren Rucksack kämpft er sich durch das unwegsame Gelände und zieht sich mit einem Seil, das um einen Baum gebunden ist, eine Böschung hinauf. Christoph kennt sich in der Sächsischen Schweiz aus, seit mehreren Jahren unternimmt er Wanderungen durch die abgelegenen Gebiete des Nationalparks. Der Student ist immer auf der Suche nach den schönsten Plätzen zum Übernachten. «Boofen nennt man das, wenn man in freier Wildbahn übernachtet», erklärt der 24-Jährige.

Weiter geht es zu einem Bach, der herrlich kalt ist und erfrischt. «Natürlich ist das Wandern abseits breiter Wege durch das Gebirge erheblich anstrengender, aber dafür wird man auch belohnt», sagt Christoph während der Pause. Die Belohnung ist unberührte Natur, wie man sie in Deutschland nur selten findet.

Es geht immer tiefer in den Wald, das Dickicht wird fast unpassierbar. Das Ziel ist kein Hotel und keine Jugendherberge, sondern eine Boofstelle. Denn an bestimmten Stellen in der Sächsischen Schweiz ist es gestattet, unter freiem Himmel zu übernachten. «Das Wort 'boofen' kommt aus dem Sächsischen und bedeutet so viel wie tief und fest schlafen», erklärt Christoph.

Es ist später Nachmittag, die untergehende Sonne taucht die Sandsteinfelsen in rotes Licht. Erschöpft setzt sich Christoph auf einen Stein: «Wir sind da», sagt er. Ein natürliches Sandsteindach, ein Überhang, schützt den Platz. «Das ist ein typischer Boofplatz.» Die Schlafsäcke werden ausgerollt, Holzstämme zum bequemen Sitzen gesucht. Die Wanderer unterhalten sich, diskutieren und essen Würstchen mit Kartoffelsalat. Es dämmert, und bevor die Dunkelheit hereinbricht, wird noch die Route des folgenden Tages besprochen.

Rolf Böhm ist Vorsitzender des Kletter- und Wandervereins Fernblick. In der Sächsischen Schweiz ist er eine kleine Berühmtheit, und seine Wanderkarten sind über die Grenzen Sachsens hinaus bekannt. Böhm wandert die Wege ab, die er auf seinen Karten verzeichnet, fügt dem Material kleine Anmerkungen hinzu und zeichnet die Felsen, die zu sehen sind. Auch Böhm ist passionierter Boofer. «In der Sächsischen Schweiz gibt es 57 offizielle Boofplätze, die aufgesucht werden können», sagt er. Wichtig ist aber, die Regeln des Nationalparks zu beachten, damit es keine Probleme gibt. Dazu gehört nach Angaben des Nationalparkamtes in Bad Schandau, kein Feuer in der Boofe zu machen. Allerdings gibt es zehn eigens eingerichtete Feuerstellen im Park.

Außerdem sei es unhöflich, eine Boofe zu reservieren, sagt Böhm. «Egal wie viele Wanderer schon schlafen: Es wird immer noch ein bisschen zusammengerückt und Platz gemacht.» Doch laut Böhm ist es ohnehin sehr unwahrscheinlich, auf andere Wanderer zu treffen.

Wie auf einem Berggipfel, gibt es an Boofplätzen ein Boofbuch. «Ungefähr 15 000 Touristen übernachten jährlich an den insgesamt 1100 Felsen», sagt Böhm. Das erscheint viel, im Vergleich zu den 400 000 jährlichen Gästen in Bad Schandau ist es aber eher wenig.

Christoph Adrian entscheidet sich bei Würstchen und sternenklarem Himmel für die Tour auf den Brand. Denn auf diesem Gipfel erwartet ihn ein Aussichtsrestaurant. «Bei aller Natur: Ein erfrischendes Bier ist nach einer Nacht im Freien so ziemlich das Beste, was ich kenne», sagt er, während er seinen Rucksack schultert und loszieht - durch unberührte Natur und zurück zur Zivilisation.

Informationen: Nationalparkamt Sächsische Schweiz, An der Elbe 4, 01814 Bad Schandau, Telefon: 035022/90 06 12

Überblick über Geschichte und Regeln des Boofens: www.kv-fernblick.de

Offizielle Liste der Boofplätze: www.nationalpark-saechsische-schweiz.de/red1/