Bodo Kirchhoff Bodo Kirchhoff: War es Mahlke? Oder Kristlein?
Halle/MZ. - Das schon einmal vorweg! Und nun nocheinmal in aller Ruhe zum besseren Verständnis:Bodo Kirchhoffs Roman mit dem schönen Titel"Schundroman" handelt tatsächlich vom Mordan einem Literaturkritiker, der hier LouisFreytag heißt und durchaus dem LiteraturkritikerMarcel Reich-Ranicki ähnelt. Ein Roman istdas, in dem die Kolportage bewusst in höchsteHöhe getrieben und in dem jede Menge Sex andDrugs and Schießereien geboten wird.
Dass dies just zu dem Zeitpunkt bei uns erscheint,an dem auch Walsers umstrittener Roman "Todeines Kritikers" vorgelegt wird - das wardas Ziel der Frankfurter Verlagsanstalt undihres Autors, der sich dagegen verwahrt, als"Trittbrettfahrer" geziehen zu werden. Währendnun in Walsers Roman der Mord am Kritikerein Gedankenspiel ist, wird er bei Kirchhoffausgeführt. Allein - es war ein "Versehen".Willem Hold, der Profi-Kriminelle mit Dienstsitzin Manila, wollte mit dem Schlag auf die Nasedes Fremden, der gerade am Frankfurter Flughafenmit seinen "Eulenaugen" das eigene Antlitzin einer Zeitung betrachtete, nur ablenkenvon der verfolgten Super-Attraktion Lou Schultz.Ein Akt der Freundlichkeit gegenüber der Frau,die neben ihm in der First Class gesessen,dann auch gelegen hatte, "Brust und Bauchmit Teilen der Frankfurter Allgemeinen Zeitungbedeckt". Trotzdem titelt am nächsten Tagdie "Rundschau": "Louis Freytag ermordet -Racheakt an Deutschlands berühmtestem Kritiker?"Dass ausgerechnet Louis einige Gedichte vonLou in "die Zeitung" gebracht hatte (wer ruftda Ulla Hahn?), zählt zu den ungezählten Aberwitzigkeitenvon Kirchhoffs geradezu explodierender Verwicklungslust.Im Kern geht es um einen gestohlenen Picasso,im Wesentlichen aber um den Spaß am Verfasseneiner "pulp fiction", was man vielleicht garnicht besser übersetzen kann als mit ebendiesemTitel: "Schundroman". Der wirkt so "billig",dass er dem Leser teuer wird. Die Handlungrast dahin, als führe man im vierten Ganggipfelwärts. Immer wieder gibt es einen "Cliffhanger"am Kapitelende, als sei man bei einer Vorabendfernsehserie,die Lockungen zur nächsten Folge nötig hat.
Das ist nicht die ernsthafte Abrechnung mitdem Literaturbetrieb, nach der es bei Walserimmer wieder aussieht. Kirchhoff macht sichvielmehr einen Spaß daraus, jedem, der ihmzwischen die Zeilen kommt, einen Seitenhiebzu verpassen. Karasek ebenso wie dem Kanzler:",Ich finde, er hat was', sagte Helen. ,Ja,von Estrada'". Seitenhiebe zudem auf die Kritik.Auf den Betrieb. Also auch auf die Buchmesse:"Es schien, als tobe in Frankfurt ein Krieg,und im Grunde war es auch einer, der Fünftagekriegum das abnehmendste aller irdischen Güter,die Bedeutung."
Seitenhiebe schließlich auf einige Kollegen.Dabei gelangt der Leser denn auch zu der Stelle,in der die Herren Kristlein und Mahlke inVerdacht geraten. Der Erste ist vertraut auseiner fabelhaften Trilogie, die Walser einstensgeschrieben hat, der Zweite aus dem Spielum "Katz und Maus", mit dem Günter Grass -auch schon vor langer Zeit - Funken geschlagenhat. Nicht weniger, aber auch nicht mehr istbei Kirchhoff über die verdienten Kollegenherauszulesen.
Bodo Kirchhoff: "Schundroman", FrankfurterVerlagsanstalt, 316 Seiten, 19,80 Euro.
Der Text wurde gekürzt. Die vollständige Fassung lesen Sie in der MZ-Ausgabe Halle-Saalkreis vom 8. Juli 2002.