BMW in Leipzig BMW in Leipzig: Nachfrage regelt die Arbeitszeit
München/Leipzig/MZ. - Mit der Wahl des Standortes Leipzig/Halle für ein neues BMW-Werk sieht die IG Metall das Gerede widerlegt, zu den geltendenden Arbeits- und Einkommensbedingungen sei die Produktion von Autos in Deutschland nicht mehr möglich. Doch hinter solchen Entscheidungen stehen vielfache Bemühungen um neue Produktions- und Arbeitszeitmodelle wie etwa bei VW mit der Formel "5 000 mal 5 000".
Was bei VW in Wolfsburg noch in der Schwebe ist, hat für das BMW-Werk bereits feste Konturen. Das Unternehmen hat dafür den Namen "BMW Formel für Arbeit" geprägt. Dabei geht es um ein äußerst flexibles Arbeitszeitsystem, um Vorteile anderer Standorte auf der Lohnseite ausgleichen zu können. Immerhin bot Kolin in Tschechien gegenüber Leipzig einen Lohnkostenvorteil von 210 Millionen Mark im Jahr. Die Belegschaftsvertreter machten Konzessionen, sind aber überzeugt, "eine neue Dimension für Produktion und Arbeitszeit" geschaffen zu haben, wie der Betriebsratsvorsitzende Manfred Schoch sagt. Betriebszeit und persönliche Arbeitszeit sind dabei entkoppelt.
Die Kombination verschiedener Arbeitszeitbausteine ermöglicht auch individuelle Arbeitszeitmodelle. Das gegenüber BMW-Standard erweiterte Leipziger Modell besteht aus zwei Säulen: Die stufenlose Erhöhung noch größerer Bandlaufzeiten unabhängig von der persönlichen Arbeitszeit und die Koppelung der Arbeitszeit an die Nachfrage. Im Schichtbetrieb kann die Leipziger Fabrik pro Woche je nach Bedarf zwischen 60 und 140 Stunden einschließlich der Wochenenden arbeiten. Dabei schwanken je nach Kundennachfrage auch die Arbeitszeiten pro Mitarbeiter. Sie können damit über den ostdeutschen Tarifvertrag von 38 Stunden in der Woche hinausgehen.
Was dann über dem Tarifvertrag liegt, kommt auf ein Arbeitszeitkonto. Fallen die Arbeitsstunden unter das Tarifsoll, schrumpft das Arbeitszeitkonto. Im Produktionsbereich lassen Arbeitszeitkonten bis zu 200 Plus- und Minusstunden zu. Dieser Zeitkorridor ermöglicht dann bei schwankender Produktion konstante Beschäftigungszahlen. Ein Ausgleich des Kontos kann über mehrere Jahre erfolgen. Der Lohn bleibt aber immer gleich auf der Basis des Flächentarifvertrages. Allerdings gibt es keinen Zuschlag für Überstunden.
Einen Zuschlag gibt es in Leipzig ebenfalls nicht bei Sonderschichten. BMW hat bereits bis zu 30 Spätschichten am Sonnabend ausgehandelt. Für die BMW-Gruppe ist es wichtig, mit diesen flexiblen Arbeitszeitmodellen sehr schnell auf Marktschwankungen reagieren zu können, wie es in der Konzernzentrale heißt. Mit der besseren Ausnutzung der Anlagen würden gleichzeitig die Investitionskosten gesenkt.
Der Betriebsrat beziffert den Wettbewerbsvorteil auf rund 400 Millionen Mark. Für die Arbeitnehmer bedeutet es mehr Sicherheit. Die Zustimmung fiel - im Gegensatz zum VW-Vorhaben - umso leichter, da sich das Modell im Rahmen des Flächentarifvertrages bewegt. Pionier der flexiblen Arbeitszeit war 1986 das BMW-Werk Regensburg. Dort wurden die Anlagen um 24 Prozent besser ausgelastet. Der Arbeiter ist jeden dritten Sonnabend im Betrieb mit sechs Werktagen. Anwesend ist er allerdings nur an vier Tagen zu je neun Stunden. Dann sind drei Tage frei. Einen Freizeitblock von fünf Tagen gibt es alle drei Wochen.