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Behindertensport Behindertensport: Aufregung um den Stelzenläufer

Von Rüdiger Fritz 26.05.2008, 20:17

Halle/MZ. - Oscar Pistorius versetzt die Sportwelt in helle Aufregung. Ein einmaliger Fall, dieser 21 Jahre alte Südafrikaner. Dass der beidseitig unterschenkelamputierte Sprinter wegen Formschwäche seinen Start über 400 Meter bei dem mit Weltstars besetzten Istaf-Sportfest in Berlin am Sonntag abgesagt hat, erregte mehr Aufmerksamkeit als die Teilnahme von Olympiasieger Jeremy Wariner aus den USA.

"Da wird schon ein gewisses Problem ersichtlich. Es besteht die Gefahr, dass aus den Wettkämpfen von Oscar Pistorius mit den weltbesten nichtbehinderten Athleten ein Klamauk gemacht wird", sagt Professor Gert-Peter Brüggemann.

Der Leiter des Instituts für Biomechanik an der Deutschen Sporthochschule Köln verfolgt die Geschehnisse um Pistorius aus nächster Nähe. Er erstellte im Auftrag des Welt-Leichtathletikverbandes (IAAF) ein Gutachten über den Stelzenläufer, das zu dem Schluss kam, Pistorius verfüge über einen zu großen mechanischen Vorteil. Wegen seiner hochtechnologisierten, federnden Karbonprothesen untersagte die IAAF dem Südafrikaner den Start bei Wettkämpfen mit Nichtbehinderten. Pistorius zog vor den Internationalen Sportgerichtshof gegen diese Entscheidung jedoch erfolgreich zu Felde.

"Ich schätze den Behindertensport ungemein. Mit Oscar Pistorius habe ich mich angefreundet", erzählt Gert-Peter Brüggemann. "Ich habe ihm auch gesagt, dass er viel schneller laufen kann, wenn er noch besser trainiert." Doch das Gutachten des Biomechanikers bescheinigt dem Athleten erhebliche Vorteile im Hochgeschwindigkeits-Bereich. Er verdeutlicht: "Durch die federnden Prothesen muss Oscar Pistorius weniger Muskelarbeit verrichten. Die künstlichen Beine können viel mehr Energie speichern und wieder abgeben. Seine Prothesen verlieren zehn Prozent der durch die Bewegung hereingeholten Energie, die Gelenke eines nichtbehinderten Läufers aber 50 Prozent."

Hochachtung ist Pistorius dennoch gewiss. "Die Olympischen Spiele würden Oscar Pistorius eine hervorragende Plattform bieten, für die herausragenden Leistungen der Behindertenathleten zu werben", meint Andrea Holz, die Geschäftsführerin des Verbandes für Behinderten- und Rehabilitationssport in Sachsen-Anhalt. Die Entscheidung des CAS befürwortet auch der Halberstädter Detlef Eckert, der als einseitig Oberschenkelamputierter jeweils Zweiter bei den Paralympics 1992 und 1996 im Kugelstoßen war. Der 57-jährige Landtags-Abgeordnete für die Linken bewundert an Pistorius, dass es ihm gelungen sei, durch intensives Training seine Beeinträchtigung so zu kompensieren, dass er seine Fähigkeiten im Lauf mit Nichtbehinderten zeigen könne.

Freilich fehlt es auch nicht an kritischen Äußerungen von Athleten, besonders von jenen, die technisch nicht bestens ausgerüstet sind. Von einem Pistorius unterlegenen Konkurrenten ist nach einem 200-Meter-Lauf die süffisante Bemerkung überliefert, der Oscar habe so lange Beine. Nachmessungen sollen ergeben haben, dass er tatsächlich verlängerte Stelzen benutzt. Derartige Kritik ist für Heinrich Popow aus Leverkusen, den Dritten bei den Paralympics 2004 in Athen über 100 und 200 Meter sowie im Weitsprung, unverständlich. "Die Prothese ist ein Hilfsmittel, das Leistungspotenzial im Sport so auszuschöpfen wie das Menschen ohne Behinderung auch tun. Was Oscar Pistorius leistet, ist gar nicht hoch genug zu schätzen."