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BAP-Sänger Niedecken in Uganda

Von Eva Krafczyk 02.03.2009, 11:14

Gulu/dpa. - Die grauen Locken wippen unter dem breitkrempigen Hut. Wolfgang Niedecken, Kölsch-Rocker und Leadsänger von BAP, steht umringt von ugandischen Jugendlichen und greift in die Saiten seiner Gitarre.

Seit Jahren engagiert er sich für die Bürgerkriegskinder in dem afrikanischen Land. Als er den Refrain «Noh Gulu - wa Gulu» anstimmt, klatschen die Jugendlichen sofort den Rhythmus mit, erst schüchtern, dann immer lauter. Die jungen Männer in den blauen Hemden ihrer Schuluniform verstehen zwar nicht den deutschen Text des Liedes, aber Gulu, die größte Stadt im einstigen Bürgerkriegsgebiet im Norden Ugandas, kennen sie sehr gut.

Und sie kennen nur zu gut die Geschichte der Nachtpendler, die Niedecken in seinem Lied erzählt - die Geschichte jener Kinder, die während der heißen Phase des Bürgerkriegs oft stundenlang von ihren Dörfen über staubige Landstraßen nach Gulu liefen, auf der Suche nach einer «sicheren Nacht», sicher vor den Kämpfern von Rebellenführer Joseph Kony, die in den 20 Jahren des Bürgerkrieges etwa 30 000 Kinder entführten und als Kindersoldaten missbrauchten.

Als BAP-Sänger Niedecken fragt, wer von den Jugendlichen bis zum Waffenstillstand vor zwei Jahren ebenfalls Abend für Abend nach Gulu wanderte, gehen viele Hände hoch. Andere der Jugendlichen der neu erbauten Berufsschule sind ehemalige Kindersoldaten, die Jahre ihrer Kindheit und Jugend im Busch verloren haben. Sie haben gelernt zu töten, nun lernen sie zu maurern und zu schreinern - Fähigkeiten, die im noch immer vom Konflikt gezeichneten Norduganda dringend gebraucht werden.

Dass die Schule gebaut werden konnte, dass Niedecken und der mit ihm befreundete Unternehmer Manfred Hell nun einen neuen Schlafsaal, das «Haus des Friedens», an die Jugendlichen übergeben konnten, ist auch dem Engagement der beiden Männer zu verdanken. Seit Jahren singt Niedecken auf seinen Konzerten das Lied über die Nachtpendler von Gulu, erinnert an das Schicksal von Kindersoldaten nicht nur in Uganda, engagiert sich als Botschafter für die Hilfsorganisation World Vision, die die Schule und weitere Ausbildungsstätten für die Kinder des Krieges in der Region gebaut hat.

Niedecken hatte schon 2004, während der Hungerkatastrophe in Äthiopien, die Musik für «Nackt im Wind» geschrieben, das Lied, mit dem deutsche Künstler Spenden mobilisierten. Im August 2004, noch mitten im Bürgerkrieg, besuchte er Gulu, sprach mit Menschen in Flüchtlingslagern und mit Kindersoldaten, die im dortigen Rehabilitationszentrum wieder die Rückkehr in ein normales Leben lernten. «Da waren zwei 15-jährige Mütter mit HIV-infizierten Babys», erinnert sich der 57-Jährige. «Noch am gleichen Abend habe ich all die Nachtpendler gesehen. Von da an war klar, ich kann nicht zurück.»

Niedecken schrieb «noh Gulu», nahm 2007 Unternehmer Hell mit zu einer Reise nach Uganda. «Es wäre zynisch gewesen, nach Hause zurück zu kehren, mit den Schultern zu zucken und zur Tagesordnung überzugehen», erinnert sich Hell. Stattdessen unterstützt er das Projekt «Rebound» zur Resozialisierung ehemaliger Kindersoldaten.

Nach dem erneuten Besuch in Schulen und Ausbildungszentren ist er erleichtert. «Es ist bewegend zu sehen, dass hier etwas geschehen ist», sagt er, und auch Niedecken ist hoffnungsvoll, wenn er die derzeitige Situation in der Region Gulu mit der Lage vor fünf Jahren vergleicht. Nun sei aber vor allem die Regierung in Kampala gefragt, meint der Kölschrocker: «Die Politiker in ihren Villen am Viktoriasee müssen begreifen, dass auch der Norden zu Uganda gehört und sie das Land nach dem blutigen Bürgerkrieg gefälligst aufbauen müssen.»