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Ausschreitungen in Bochum Ausschreitungen in Bochum: «Gewalt hat im Fußball nichts zu suchen»

Von Ulli Brünger und Heinz Büse 09.05.2010, 09:06
Zuschauer im Bochumer Fanblock stehen gestikulierend auf den Absperrzäunen. Durch den 0:3-Sieg sicherte Hannover den Klassenerhalt. (FOTO: DPA)
Zuschauer im Bochumer Fanblock stehen gestikulierend auf den Absperrzäunen. Durch den 0:3-Sieg sicherte Hannover den Klassenerhalt. (FOTO: DPA) dpa

Bochum/dpa. - Etwa 20 Hooligans überwandendie Zäune und stürmten den Rasen. VfL-Abwehrspieler Mergim Mavrajkonnte gerade noch vor einem Handgemenge mit den Chaoten bewahrtwerden. Bei allem Verständnis für die Enttäuschung der Anhänger nachdem blamablen 0:3 gegen Hannover 96 verurteilte Bochums SportvorstandThomas Ernst die Randale. «Gewalt hat im Fußball nichts zu suchen.»

Nur das rasche und beherzte Eingreifen der Sicherheitskräfteverhinderte ähnlich schlimme Jagdszenen wie vor Wochen in Berlin. Sowar die Lage schnell unter Kontrolle. «Es war nicht so dramatisch.Ich kann verstehen, dass einige ihren Frust abreagieren mussten»,befand Kapitän Marcel Maltritz, der das Scheitern der Elf offeneingestand. Auch die vielen Trainer-Wechsel ließ er als Alibi nichtgelten. «Wir Spieler tragen allein die Schuld. Wenn man zwölf Spielein Serie nicht gewinnt, hat man den Klassenverbleib nicht verdient.»

Auch «Galionsfigur» Dariusz Wosz - nach Marcel Koller, FrankHeinemann und Heiko Herrlich schon der vierte VfL-Coach in dieserSpielzeit - schaffte es in den letzten beiden Spielen nicht mehr, derMannschaft Leben einzuhauchen. «Das war Angsthasenfußball. So kannman in der Bundesliga nicht bestehen», kritisierte der 40-Jährige.Ihm war der schwache Auftritt fast peinlich: «Ich möchte mich bei denFans entschuldigen, dass es mir nicht gelungen ist, den Abstiegabzuwenden», sagte Wosz traurig.

Schonungslos deckten die Niedersachsen die Schwächen desRevierclubs im Abstiegsfinale auf und feierten nach Treffern vonArnold Bruggink (9.), Mike Hanke (23.) und Sergio Pinto (45.) ihreRettung überschwänglich mit den 10 000 mitgereisten Fans. Danach gingdie Party mit Musik und Bier in der Kabine und am Abend in derheimischen AWD-Arena weiter. Alle Last der Achterbahn-Saison mit demtragischen Tod von Robert Enke im November fiel von den Profis ab.«Viele hatten nach dem Abpfiff Tränen in den Augen», verrietBruggink. Und Enke-Nachfolger Florian Fromlowitz gestand: «Das warenEmotionen pur. Wir haben heute auch für Robert gewonnen.»

Mirko Slomka zeigte «größten Respekt» vor seinem Team, das sichnach herben Schlappen in München (0:7) und Leverkusen (0:3) imEndspurt mit dem 6:1 gegen Gladbach und dem 3:0 in Bochum noch ausdem Sumpf zog. «Es ist beeindruckend, wie die Mannschaft trotz derRückschläge immer wieder zurückgekommen ist», sagte der Coach. UndSportdirektor Jörg Schmadtke atmete tief durch: «Ich habe schon vieleschwere Situationen erlebt. Aber diese Saison hat alles getoppt.»

Während 96 erstklassig bleibt, muss Bochum nach 1993, 1995,1999, 2001 und 2005 wieder ins Unterhaus. Bislang gelang den längstnicht mehr «Unabsteigbaren» stets die sofortige Rückkehr. Trotz einesum 16 auf rund 22,5 Millionen Euro reduzierten Etats will der VfLdieses Kunststück zum sechsten Mal schaffen. «Aber das wird verdammtschwer», prophezeit Maltritz. «Ich hoffe, dass der Verein eine guteMannschaft zusammenstellen kann.» Torhüter Philipp Heerwagen fordertenach dem «rabenschwarzen Tag» eine Truppe, die «das zerschlagenePorzellan wieder kitten» will: «Wir müssen mit diesem Schmerz und derWut in die 2. Liga gehen, um wieder hoch zu kommen.»

Mit welchem Personal, ist offen. Die Verträge von Vahid Hashemianund Joel Epalle laufen aus, Torwart Rene Renno und Diego Klimowicz(Karriereende) wurden schon verabschiedet. Bis auf SchalkesLeihspieler Lewis Holtby haben zwar alle Kontrakte für die 2. Liga,doch eine Zäsur ist unabdingbar: «Wir müssen keine Spieler verkaufen.Aber Fakt ist auch, dass wir nicht mit der identischen Truppe in eineZweitliga-Saison gehen. Die 2. Liga ist ein hartes Brot, da brauchtman eine andere Mentalität, eine andere Einstellung», sagte Ernst,der sich bei der Trainersuche nach dem Flop mit Herrlich keinenFehlgriff mehr erlauben kann, wenn der von ihm propagierte«kraftvolle Neuanfang» gelingen soll.