Altmeister Altmeister: Stippvisite am alten Tatort ganz in Familie
HALLE/MZ. - "Wie heißt es so schön: Der Täter kehrt immer an seinen Tatort zurück", sagt Siegfried Mehnert augenzwinkernd. Der 46-Jährige freut sich darauf, seiner Freundin Andrea die alte Trainingsstätte im Kreuzvorwerk zu zeigen. Jenen Ort, an dem er viele Jahre tagtäglich den Sandsack malträtiert oder dem Sparringspartner die Fäuste um die Ohren gehauen hat. Söhnchen Lars ist die "Tatort-Besichtigung" derweil ziemlich egal. Der zwölf Wochen alte Filius schlummert weiter friedlich in Andreas Armen.
Dafür staunt "Siggi" Mehnert umso mehr. "Es hat sich viel verändert hier. Unsere alte Halle ist ein richtiges Schmuckstück geworden", stellt der einstige Boxstar des SC Chemie fest, wundert sich aber zugleich darüber, dass sie verwaist ist. "Zu meiner Zeit war es immer richtig voll hier. Das ist wirklich schade", schüttelt Mehnert bedauernd den Kopf.
So belässt er es beim Plausch mit seinem früheren Coach und heutigen Profi-Trainer Hans-Jürgen Witte. Und danach ist Stadtbesichtigung angesagt. Denn Andrea ist gebürtige Rostockerin und zum ersten Mal in Halle. Mehnert schafft es immerhin alle ein, zwei Jahre in seine sportliche Heimat. Dann besucht er seinen Bruder Andreas auf der Silberhöhe oder schaut beim Chemiepokal-Turnier vorbei, das er selbst in den achtziger Jahren fünf Mal gewonnen hat. Diesmal ist die Goldene Hochzeit seiner Eltern im nahen Delitzsch der willkommene Anlass für eine Stippvisite.
"Ich würde ja gern öfter kommen, aber der Weg ist verdammt weit und die Zeit knapp", sagt der seit 1991 in Karlsruhe wohnende Mehnert. Nach der Wende hatte der gelernte Kfz-Elektriker sein gerade begonnenes Sportstudium wegen Perspektivlosigkeit abgebrochen und war mit Sack und Pack in Halles Partnerstadt umgesiedelt. Mit dem Ring hatte er zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen, ein Wechsel ins Profigeschäft wie seine Auswahlkollegen Henry Maske oder Axel Schulz stand für ihn nie zur Debatte. Stattdessen ließ er sich im badischen Kehl zum Diplomverwaltungsfachwirt ausbilden. Zuletzt arbeitete der verbeamtete Mehnert im Karlsruher Job-Center.
Vor drei Wochen hat er zwischenzeitlich seinen Schreibtisch geräumt. In der zweimonatigen Elternzeit will er sich nur um seinen Jüngsten kümmern. "Ich nehme seine Entwicklung in den ersten Wochen viel bewusster wahr als bei meinem ersten Sohn Eric. Damals war ich ja noch als Boxer aktiv und viel unterwegs", erklärt der von Erics Mutter Kerstin seit Jahren geschiedene Mehnert.
Das Boxen, so erzählt "Siggi", fährt er während seines Erziehungsurlaubs auf Sparflamme. In dieser Woche macht er aber eine Ausnahme, weil sein Verein KSC zum 50-jährigen Jubiläum ein Turnier austrägt. Deshalb wird er am Samstag in der Ringecke stehen und all diejenigen betreuen, die bei ihm das Boxer-ABC erlernt haben.
Seine Arbeit als Trainer hält ihn offenbar in Form. Auch 19 Jahre nach seinem frühen Karriere-Ende hat es den Anschein, als könne der 1,76 Meter große Mehnert die fürs Weltergewicht geforderten 69 Kilo bringen. Die Familie tut ihr übriges, der Filius "hält mich jung", sagt Mehnert lachend. Es ist auch der Grund, warum er noch einmal umziehen will. Um bei seiner Familie sein zu können, versucht Mehnert, sich nach Rostock versetzen zu lassen. Der Antrag beim Arbeitgeber ist schon gestellt.