50 Jahre Sportschulen 50 Jahre Sportschulen: Seepferdchen als Antreiber
Halle/MZ. - Karin Harzer-Beyer hat ein Problem. "Vor kurzem rief ein Mann wegen einer Autogrammkarte an. Und das bei meinem Alter", knurrt die 64-Jährige und schmunzelt in sich hinein. "Dumm ist nur, dass ich keine mehr habe. Also muss ich neue Karten anfertigen lassen." Das alles sagt die sympathische Halle-Neustädterin ohne jeden Anflug von Eitelkeit. Dabei kann sie für sich in Anspruch nehmen, die erste Schwimm-Weltrekordlerin der DDR zu sein.
Lange überlegen, wann und wo der historische Wettkampf stattfand, muss die Ex-Schwimmerin nicht. Im Flur des bekennenden Fans der Plattenbau-Siedlung ("Auch nach 38 Jahren fühlen wir uns hier wohl, vor allem nach der Reko.") hängt unter Glas der Nachweis. An dieser Urkunde muss Karin Harzer auf dem Weg zur Küche und zurück immer wieder vorbei.
"Über solche Zeiten lacht die heutige Generation nur noch", sagt Karin Harzer, die zwischen 1956 und 1965 für die DDR-Auswahl schwamm, nachdenklich. Und: An riesige Siegprämien oder Sachpreise sei nicht zu denken gewesen. "Erst als ich Meister und dann Verdienter Meister des Sports wurde, gab es mal 1 500 DDR-Mark. Dafür würde heute kein Spitzenschwimmer auch nur einen Zeh ins Wasser halten." Besonders stolz ist die heutige Schwimm-Oma, der das Scheitern bei der Olympia-Qualifikation 1960 für die gesamtdeutsche Mannschaft sehr an die Nieren ging, dass die Leser der "Jungen Welt" sie 1958 zur Sportlerin des Jahres wählten. "Und das zählte für mich." Als gelernte Physiotherapeutin, später Unterstufenlehrerin an der Kinder- und Jugendsportschule, Trainerin und Schwimm-Übungsleiterin für die ganz Kleinen blieb sie dem Nachwuchs verbunden.
Den größten Kampf jedoch meisterte und meistert Karin Harzer, die ihre Liebe zum Schwimmen auch an ihre Tocher Heike - die zweifache Junioren-Europameisterin und heute Psychologin in der Raßnitzer Jugendhaftanstalt - weitergab, auf ganz anderem Gebiet: "Ich war schwer krank, habe aber dem da oben noch mal abgesagt", atmet Karin Harzer tief durch. Derzeit kümmert sie sich intensiv um ihren gerade aus dem Hospital entlassenen Mann Karl-Heinz, einen Ex-Wasserballer vom SC Chemie. Und den lernte sie - natürlich - an der Sportschule kennen. "Vor allem den Humor darf man nicht verlieren. Der ist ein Lebens-Elixier", erklärt die Hallenserin und schaut auf ihre Bibliothek, in der sich nicht zufällig auch Ephraim Kishon findet.
Und wie ist es eigentlich heute mit Wassersport? Schließlich findet sich die Neustädter Schwimmhalle in nur 300 Metern Luftlinie. "Mit meiner jetzt stabilisierten Wirbelsäule ist Brustschwimmen nicht drin. Aber ich habe so viel Wasser in meinem Leben gesehen, dass jetzt die Berge meine große Liebe sind." Also geht es diesen Monat mit ihrem Mann in die Schweiz. Doch ganz vom nassen Element lassen kann Karin Harzer-Beyer eben doch nicht. Dafür sorgt schon die Enkelin. "Sarah hat gerade die Seepferdchen-Prüfung geschafft. Tja, da gehe ich zwangsläufig doch wieder ins Wasser. Und wenn's sein muss, mit der Schwimmnudel."