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Der ewige DDR-Weltrekordler Uwe Hohn: Der DDR-Sportler und sein Speerwurf zum ewigen Weltrekord

Von Petra Szag 05.06.2019, 10:00
Uwe Hohn auf dem Höhepunkt seiner kurzen Karriere, bei einem Wettkampf im Jahre 1984
Uwe Hohn auf dem Höhepunkt seiner kurzen Karriere, bei einem Wettkampf im Jahre 1984 Imago/Horstmüller

Halle (Saale) - Seine markanten Gesichtszüge enttarnen ihn an der Wurfanlage an den Brandbergen in Halle: das ist Uwe Hohn. Der Speerwerfer, der als erster und bisher einziger Mensch das 800 Gramm leichte Geschoss über die 100-Meter-Marke katapultieren konnte, hat sich kaum verändert - auch wenn die Haare mittlerweile spärlicher und grau geworden sind.

Ein bisschen ungelenk wirkt er heute. Der Hüne, der vor knapp 35 Jahren Sportgeschichte geschrieben hat, bewegt sich betont langsam. Dem Beobachtern fällt auf, dass er das rechte Bein nachzieht.

Über den Rekord, seine unglaublichen 104,80 Meter, will Hohn an diesem Samstag bei den Halleschen Werfertagen nicht reden. „Ach, das ist doch schon so lange her, kaum einer weiß das noch“, wiegelt der mittlerweile 56-Jährige höflich und doch bestimmt ab.

DDR-Sportstar Uwe Hohn ist heute mit Australierin Kathrin Mitchell liiert

Wortkarg ist er also immer noch. Schon zur Aktivenzeit hatte sich der gebürtige Neuruppiner durch Zurückhaltung ausgezeichnet. Und danach noch mehr: Die Diskussion nach der Wende über Staatsdoping in der DDR hatte ihn zwischenzeitlich verstummen lassen - auch er soll auf einer Liste gestanden haben.

Wohl auch aufgrund der spärlichen Informationen in all den Jahren über ihn haftet seinem Rekord etwas Mystisches an. Jenen Speer, den er an diesem 20. Juli 1984 von einem Ende des Berliner Jahn-Sportparks an das andere geschleudert hatte, so dass Sportler dort aufgeschreckt beiseite springen mussten, soll er einem finnischen Museum vermacht haben.

Das Wurfgerät wurde 1986 vom Weltverband „entschärft“. Durch eine Verlagerung des Schwerpunktes scheinen Weiten wie die von Hohn unerreichbar. Den Weltrekord hält seit 1996 der Tscheche Jan Zelezny mit 98,48 Metern.

Auch wenn Uwe Hohn keine Plaudertasche zu sein scheint, weltoffen war er damals schon und ist es heute noch. Aktuell betreut der „ewige“ Weltrekordler Indiens Speerwurf-Asse. Weil es in deren Heimat gerade unerträglich heiß ist und an Sporthallen mangelt, tingelt der Deutsche mit ihnen durch Europa, besucht Meetings wie das in Halle und fährt danach weiter in das polnische Spala zu einem Trainingscamp.

Dann, sagt er, wird auch seine Partnerin dazukommen. Kathrin Mitchell beherrscht ebenfalls die Kunst des Speerwerfens. Die Australierin rangiert mit 68,92 Metern auf Platz sieben der ewigen Weltbestenliste. Weil die 36-Jährige nach einer Fußverletzung erst wieder in Tritt kommen muss, fehlte die Commonwealth-Games-Siegerin in Halle.

Sieht sich Uwe Hohn als Weltenbummler?

In Sachsen-Anhalts Leichtathletik-Hochburg war Hohn vor Jahren auch schon mit chinesischen Speerwerfern, hatte mit ihnen in dem einstigen Sportinternat nur einen Steinwurf von der Wettkampfstätte entfernt sein Trainingslager aufgeschlagen. Australier, Polen, Wurf-Talente aus Katar - schon einige hat der Weltrekordler versucht, an die Spitze heranzuführen.

Sieht er sich als Weltenbummler? Eher zwangsweise. „Ich hätte schon gern eine dauerhafte Anstellung“, gibt er zu. Sportler abgeben zu müssen, wenn er mit ihnen etwas erreicht hat, darin sieht Hohn nicht die Erfüllung. „Es gibt eben so viele Trainer“, erklärt der einstige Star, der sich heute selbst als Berater bezeichnet, eine Schwierigkeit in der Branche. Und da ist auch noch sein körperliches Manko. Allein fünf Mal sei er am Rücken operiert worden, erzählt er. Der erste Eingriff an der Bandscheibe war schief gelaufen, weitere folgten. Mit einer Thrombose in der rechten Wade kamen Lähmungserscheinungen dazu. Deshalb hinkt er heute.

Olympia 1984 in Los Angeles verpasst

Die Schmerzen hatten einst auch dazu geführt, dass der Armeesportler vom ASK Potsdam seine Karriere schon 1987 beenden musste. Den Rekord hatte er mit 22 Jahren geworfen, kurz vor Olympia 1984. Weil die DDR damals die Wettkämpfe in den USA aus politischen Gründen boykottierte, fehlte Hohn in Los Angeles. Den Sieg holte sich der Finne Arto Härkönen mit 86,76 Metern.

Heutzutage schicken sich die Deutschen um Olympiasieger Thomas Röhler, der nächste Woche beim Meeting in Dessau wirft, und Weltmeister Johannes Vetter an, den Zelezny-Bestwert auszulöschen. Worin sieht Hohn die Stärke seiner Nachfolger?

„In Deutschland wird in der Vorbereitung speziell auf die Stärken eines jeden Athleten eingegangen. Ein Vetter wirft anders als ein Röhler und braucht deshalb eine andere Vorbereitung“, sagt Hohn. Dann plaudert er mit alten Bekannten wie Olympiasiegerin Silke Renk (1992) oder dem ehemaligen EM-Dritten Raymond Hecht. Und genießt ansonsten seine weitgehende Anonymität. (mz)

Der Weltrekordler Uwe Hohn bei den Werfertagen in Halle
Der Weltrekordler Uwe Hohn bei den Werfertagen in Halle
Holger John