1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Turner Matthias Fahrig: Turner Matthias Fahrig: Das Stehaufmännchen

Turner Matthias Fahrig Turner Matthias Fahrig: Das Stehaufmännchen

Von Petra Szag 28.12.2015, 22:21
Daumen hoch! Matthias Fahrig, hier nach der Bein-OP, ist optimistisch.
Daumen hoch! Matthias Fahrig, hier nach der Bein-OP, ist optimistisch. Schulz Lizenz

Halle - Streicheln? Verboten! Zumindest die Wange. Dabei würde dem erklärten Pechvogel des Jahres Zuspruch jeglicher Art sicher gut tun. Doch die rechte Gesichtshälfte ist im Augenblick noch die Problemzone von Matthias Fahrig. Wenn sich der Turner vorsichtig mit seiner Hand darüber fährt, kann er die Schrauben ertasten. Sie stabilisieren, wie auch die eingesetzten Platten, zwei Bruchstellen seines Unterkiefers. Am Airport würde er angesichts des vielen Metalls in seinem Kopf bei der Sicherheitskontrolle zweifellos den Alarm auslösen.

Doch in den nächsten Wochen hat Fahrig keine Wettkampfreisen vor sich. Und in diesem Fall kann man nicht zum Glück sagen. Nach einer fünfwöchigen Zwangspause wegen des doppelten Kieferbruchs stieg der SV-Athlet nämlich gestern erst wieder ins Training ein.

Drei Verletzungen in einem Jahr

Wieder einmal. Denn bevor ihm in Breisgau ein polizeibekannter Schläger einfach so mit einem Bierglas ins Gesicht schlug (MZ berichtete), hatten ihn der Außenmeniskus seines rechten Knies und danach die arg strapazierte Schulter längere Zeit matt gesetzt. Fahrig war in diesem Jahr Stammkunde verschiedener Fachärzte, verpasste im Oktober deshalb auch die WM. Entmutigen lässt sich der 30-Jährige davon aber nicht. Warum auch? „Ich denke immer positiv“, sagt die Frohnatur. Eine Woche Krankenhaus, Suppenschlürfen aus der Schnabeltasse, die Schwellung im Gesicht runterkühlen - all das hat Fahrig nun hinter sich gelassen. Und auch an das juristische Prozedere und die Folgen für den Übeltäter verschwendet er im Augenblick keinen Gedanken. „Ich habe meine Aussage bei der Polizei gemacht, die anderen in der Runde, die dabei waren, auch“, berichtet Fahrig. Alles andere liege nun nicht mehr in seiner Hand.

Sich auf der Turnbühne wieder heranzukämpfen, schon. Rolle vorwärts, Rolle rückwärts, Handstand, ein paar leichte Sprünge und Drehungen - der Europameister von 2010 fängt klein an. „Es geht nicht darum, so schnell wie möglich 100 Prozent zu erlangen“, erklärt er seine Strategie. Ein Schnellschuss, das weiß der Sportsoldat nicht erst seit dem Dialog mit seinem Arzt, kann nach hinten losgehen. In einem halben Jahr will Fahrig fit sein und bei der verbandsinternen Olympia-Qualifikation „alles zeigen, was ich kann und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr“.

Hornhaut muss wieder aufgebaut werden

Alles andere, so Fahrig, „wäre Utopie“. Wenn sich seine Auswahlkollegen zum Vorbereitungslehrgang Anfang des Jahres in Kienbaum treffen, wird er mit Trainer Uwe Ronneburg in Halle nach und nach die Belastungen hochfahren. Sich konditionieren, die Kraftspeicher wieder auffüllen und die Feinmotorik schulen. Auch die Hornhaut an den Händen ist ihm abhanden gekommen. Für seine schwierigen Übungen am Barren, Ringen oder Reck ist diese aber ein Muss.

Anfang Februar will Fahrig wieder soweit sein, sich an die schwierigen Sachen heranzuwagen. Der National-Team-Cup im März kommt dennoch zu früh, ebenso wie kurz darauf die EM in Bern und die Pre Olympics in Rio. Bei diesem Wettkampf steht die deutsche Riege vor der schwierigen Aufgabe, mit einem Platz unter den besten Vier den Startplatz für die Spiele im Sommer an gleicher Stelle zu sichern. Wenn im Juni bei den deutschen Meisterschaften in Hamburg sowie zwei Wochen später in Frankfurt aber verbandsintern die DTB-Olympia-Riege ermittelt wird, will Fahrig wieder angreifen. Und sich dann einen Traum erfüllen. Denn nach den verpassten Olympia-Teilnahmen 2008 in Peking und vier Jahre später in London soll es für den Achten der Spiele 2004 in Athen noch einmal klappen mit einem Wettkampf im Zeichen der Ringe.

OP erst nach Olympia 2016

Danach ist immer noch Zeit, sich die Platten und Schrauben aus dem Kiefer entfernen zu lassen. Streicheleinheiten sind dann wohl wieder uneingeschränkt erlaubt. (mz)