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RB-Leipzig-Geschäftsführer im Interview RB Leipzig: Geschäftsführer Oliver Mintzlaff: "Wir sind kein Verkaufsklub"

19.01.2018, 14:14

Leipzig - Das Fußballjahr 2018 hat begonnen, Zeit für ein Zwischenfazit bei RB Leipzig. Im Interview mit Martin Henkel und Ullrich Kroemer sprach Geschäftsfrührer Oliver Mintzlaff über Transfers, die Champions League, ambitionierte Ziele, Verträge und den Stadionumbau.

Herr Mintzlaff, vor der Winterpause hat Ihr Verein RB Leipzig fünf Spiele infolge nicht gewinnen können. Dann kommt vorigen Sonntag Schalke zu Besuch – und sie besiegen den zu diesem Zeitpunkt Tabellenzweiten 3:1. Wie hat sich das auf der Tribüne für Sie angefühlt.
Sehr gut natürlich. Es freut mich für die Mannschaft, die sich für ihre Leistung belohnt hat. Einstellung und Mentalität waren wirklich top, und am Ende war es auch ein verdienter Sieg. Es ist ein gutes Gefühl und gibt Rückenwind, wenn man mit einem Erfolgserlebnis in die Rückrunde startet. 

Nur einen Tag später schiebt der Verein dem vorzeitigen Wechsel von Naby Keita zum FC Liverpool einen Riegel vor. Davor aber hatte der Verein durchblicken lassen, dass er bereit wäre, Keita ziehen zu lassen, wenn alle Seiten einvernehmlich befänden, ein Wintertransfer ergäbe Sinn. Lag es an Keitas exzellentem Auftritt gegen Schalke oder der fehlenden Bereitschaft der Engländer, sie mit „exorbitant“ viel Geld zu überzeugen? Das Zitat stammt von Ihrem Sportdirektor Ralf Rangnick.
Wir haben immer wieder betont, dass es in solchen Fällen eine einvernehmliche Lösung geben muss. Ist das nicht der Fall, bleibt der Spieler bei uns. Wir wissen die Qualitäten von Naby sehr zu schätzen, er ist jemand, der den Unterschied ausmacht und ein wichtiger Teil unserer Mannschaft. Und Liverpool hat zwar sein Interesse noch einmal hinterlegt, ohne allerdings richtig nachhaltig zu werden. 

Wieviel hätte denn zu einer einvernehmlichen Lösung gefehlt?
Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Die Entscheidung ist gefallen und demnach gilt die Konzentration nun wieder anderen Dingen. 

Ralf Rangnick meinte im selben Atemzug, RB sei kein Verkaufsklub. In der Vergangenheit haben Sie ebenso verneint, ein Ausbildungsverein zu sein. Was ist RB dann, bereits ein Topklub? 
Man kann nicht immer nur Spieler kaufen, irgendwann müssen wir wie jeder andere Bundesligist auch mal einen Spieler verkaufen. Wir haben aber selbst ambitionierte Ziele. Die erreichen wir nur, wenn wir Leistungsträger langfristig binden. Deshalb ist es unser Anspruch, Spieler, die wir entdeckt und die sich mit uns entwickelt haben, auch zu halten. Wir sind kein Verkaufsklub – außer uns liegt ein exorbitantes Angebot vor, mit dem wir uns dann beschäftigen müssten.

Was bedeutet das im Fall des wechselwilligen Emil Forsberg? Er hat Vertrag bis 2022. Heißt das, sie gehen um jeden Preis mit ihm in die nächste Saison?
Wir haben seinen Vertrag erst vor einem knappen Jahr verlängert. Das haben wir getan, weil wir mit ihm gemeinsam unseren Weg langfristig gehen wollen. Ganz allgemein gilt – das haben Ralf Rangnick und ich immer betont –, mit jedem Spieler über einen Wechselwunsch zu sprechen, dessen Entwicklung schneller verläuft als die des Vereins. Dann ist Ralf Rangnick der erste, der sich das anhört. 

Aber?
Wir stehen nach 18 Spieltagen auf Platz zwei in der Bundesliga und können uns wieder für die Champions League qualifizieren. Ich kann nicht erkennen, dass wir beispielsweise Emil Forsberg keine Plattform mehr bieten. Wir sind für diese Spieler nach wie vor ein extrem attraktiver Verein, und deswegen bin ich mir sicher, dass Emil Forsberg diesen Weg auch mit uns weitergehen will.

Weder Keita noch Forsberg haben in der Hinrunde ihre überragende Form aus dem Vorjahr bestätigen können. Weil sie mit den Köpfen woanders sind?
Die Entwicklung der meisten Sportler geht nicht immer nur steil bergauf, sondern bei vielen zeichnet sich das auch sinuskurvenartig mit der Tendenz nach oben ab. Emil Forsberg und Naby Keita haben viel für unseren Verein getan. Es ist zu kurz gedacht, wenn man sich ein paar Spiele rauspickt und sagt, dass sie da aber nicht so gut gespielt haben. Beide sind Spieler, die unseren Verein mit dahin gebracht haben, wo wir jetzt stehen. Dass diese jungen Spieler auch mal schwierigere Phasen haben, ist doch ganz normal. Das hat auch nichts damit zu tun, dass sich diese Spieler permanent mit anderen Optionen beschäftigen würden.

Was erwarten Sie jetzt von beiden?
Wir wollen alles versuchen, um uns wieder für die Champions League zu qualifizieren. Und dafür brauchen wir nicht nur von Naby Keita oder Emil Forsberg, sondern von jedem einzelnen Spieler 150 Prozent.

Zu Saisonbeginn haben Sie das noch deutlich defensiver formuliert. Da war von Champions League nicht die Rede.
Wir standen vor unserer zweiten Bundesligasaison, also mussten wir erst einmal sehen, wie wir mit der Dreifachbelastung klarkommen. Jetzt wissen wir, dass wir in der Champions League zwar Lehrgeld bezahlt haben, aber keinesfalls sang- und klanglos ausgeschieden sind, sondern gegen attraktive Gegner auch überwiegend attraktiv gespielt haben.  

Gönnen Sie uns einen Blick in Ihren Business-Plan: Auf welchem Entwicklungsstand befinden sich RB Leipzig gerade? Und wo wollen Sie mit ihrem Verein hin?
Momentan sortieren wir uns unter den Top Sechs ein. Dort wollen wir uns etablieren. Das ist das mittelfristige Ziel. Das ist ambitioniert, aber unser Anspruch. 

Und langfristig?
Bayern München ist Lichtjahre von uns entfernt. Da können wir nicht tönen, dass wir in der nächsten Saison unter die Top Drei kommen und danach die Bayern angreifen. Der FC Bayern ist in seinem Gesamtkonstrukt über viele Jahre so stark und konsequent gewachsen, das kann RB Leipzig nicht in wenigen Jahren einholen. Auch Borussia Dortmund ist ein Klub, der seine Strukturen unter Hans-Joachim Watzke toll angepasst und die wirtschaftlichen Kennziffern extrem in die Höhe getrieben hat. Der BVB hat mit einer klaren Philosophie und Konzepten dafür gesorgt, dass sie bis ins Champions-League-Finale kommen und Bayern München Paroli bieten können. Es wäre vermessen und überheblich, sich mit diesen Vereinen zu vergleichen. Auch Leverkusen, Schalke und Mönchengladbach sind gestandene Klubs, die seit vielen Jahren tolle Arbeit leisten. Dahin wollen wir uns entwickeln.

Die Zuwendungen von Red Bull sind durch das Financial Fairplay begrenzt. Wo soll das Geld herkommen, dass sie brauchen, um sich langfristig in der deutschen Spitze festzusetzen?
Wir haben im Merchandise 100 Prozent Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Auch im Sponsoring haben wir uns unheimlich gut entwickelt. Selbst wenn man Red Bull als Trikotsponsor herausrechnet, haben wir im Werbeeinnahmen-Vergleich der Bundesligisten bereits einen einstelligen Tabellenplatz inne. Zudem werden wir mit dem Stadionausbau mehr VIP-Kapazitäten haben und damit größere Einnahmen generieren. Und natürlich denken wir auch an Transfererlöse wie die Ablöse für Naby Keita. Die werden wir zum Teil in den Kader investieren, damit aber auch Verbindlichkeiten zurückzahlen.

Stichwörter VIP-Plätze und Zuschauereinnahmen - Sie haben im Dezember das Stadion gekauft, wann beginnen die Umbauarbeiten?
Im Sommer. Kommende Woche sitzen wir zusammen, um unsere internen Planungen abzuschließen. Wir müssen sehen, was im ersten Bauabschnitt, den wir für die kommenden drei Jahre planen, möglich und nötig ist. Vielleicht erweitern wir die Kapazität auch schon stärker, als wir es gerade bräuchten, um dann die Bagger nicht nochmals im Stadion zu haben. Aber ob wir jetzt um 5000 oder 10.000 Plätze erweitern, kann ich momentan noch nicht sagen.

Zum Ende der Hinrunde ließ das Zuschauerinteresse merklich nach. Woran lag’s, den Ticketpreisen, Genügsamkeit oder dem Wetter?
Weil die Spiele gegen Mainz und Hertha mal nicht ausverkauft waren, bin ich weit davon entfernt, von einer Sättigung zu sprechen. Wir sind ein junger Verein und dabei, jeden Tag neue Fans zu gewinnen. Und wir haben eine sehr vernünftige und faire Preisstruktur. Ich glaube nicht, dass wir über Ticketpreise nachdenken müssen.

Überall im Fußball ziehen die Preise gerade an. Vor allem die Spielerpreise explodieren. Wieso sollte das nicht auf den Zuschauer zurückschlagen?
Das ist in der Tat eine schwierige Situation. Aber es gibt nicht nur die eine, die problematische Seite. Wenn wir so viel Geld bekommen, dann nehmen wir es. Auf der anderen Seite sagen wir: Das kann doch nicht sein, dass ein Fußballer so viel kostet. Das widerspricht sich. Dennoch, wir in der Branche müssen sehen, dass wir eine Antwort darauf finden: Wie erklären wir das den Fans? Da muss der gesamte Fußball aufpassen, um die Basis nicht zu verlieren, weil bestimmte Dinge nicht mehr nachvollziehbar sind. 

Die Preise sind das eine. Die mittlerweile hohe Anzahl von Spielen ein anderes Problem. Dazu tragen auch die Gruppenphasen der beiden Europapokal-Wettbewerbe bei. War es belastend oder hatten Sie Spaß?
Es waren in der Hinrunde schon viele Spiele. Gerade für einen so jungen Verein wie uns im erst zweiten Jahr in der Bundesliga. Aber wir wollen gerne mehr davon, auch wenn es mitunter strapaziös ist. Wir haben Ziele und sind ehrgeizig. Da gehört der Dreitage-Rhythmus nun mal dazu.

Wie für den Verein war auch für Trainer Ralph Hasenhüttl die Champions League ein Debüt. Er hat seinen Kader auf Rang drei und in die Europa League geführt. Würden Sie gern mit ihm verlängern? Sein Vertrag läuft 2019 aus.
Wir alle haben hier ein sehr gutes, enges Verhältnis. Und Ralph hat ja auch unlängst gesagt: „Ich hoffe, dass ich noch lange Jahre die Gelegenheit haben werde, hier Trainer sein zu dürfen“. Wir haben da keinen Druck. Er ist ja noch eineinhalb Jahre gebunden und weiß, was er an uns hat. Und wir wissen, was wir an ihm haben.

Täuscht es, dass das Verhältnis mal enger war zwischen Sportdirektor und Trainer?
Ich weiß, worauf Sie jetzt wahrscheinlich anspielen möchten – auf Aussagen, die Ralf im Dezember nach dem 2:3 gegen Hertha getätigt hat. Aber das ist definitiv nicht der Fall. Wir waren die Tage zusammen essen, da habe ich keine Distanz gespürt. Und für mich hat das Spiel gegen Schalke ganz deutlich gezeigt, dass der Sportdirektor und Trainer vor Weihnachten die richtigen Punkte angesprochen haben. Da gab es keinen Dissens.

Dann ist alles so wie immer zwischen den beiden? Der Eindruck war vor Weihnachten ein anderer.
Ja. Fakt ist aber auch, dass am Ende des Jahres alle froh waren, dass Pause war. Wenn man so durchpowert, ist doch jeder froh, dass er nach so einer intensiven Zeit auch einfach mal abschalten und den Akku wiederaufladen kann.

Zwei ihrer Angestellten haben zum Jahresende den Verein ganz verlassen, Sportkoordinator Frank Aehlig und Chefscout Johannes Spors. Der eine geht nach Köln, der andere zum HSV. Gab es zu wenig zu tun? Es ist bekannt, dass Ralf Rangnick sich gern um alles kümmert.
Wir hatten erst vergangene Woche ein Gespräch darüber. Ralf hätte Frank Aehlig und Johannes Spors gerne behalten, hat aber dann bei beiden Abschieden seinen Segen gegeben. Nehmen wir Frank Aehlig. Er ist eng mit Kölns neuem Geschäftsführer Sport Armin Veh befreundet, sie kennen sich intensiv aus Wolfsburger Zeiten. Zudem ist Aehligs Frau aus Köln. Aber es war eine schwierige Entscheidung für ihn. Er hat hier ein Haus gekauft und ist einen langen Weg mit uns gegangen. Es war sehr emotional, als wir uns verabschiedet haben. Es sind auch Tränen geflossen.

An Ralf Rangnick lag es nicht?
Dass Ralf Rangnick detailverliebt ist, ist bekannt. Aber die Jobzufriedenheit bei uns ist groß. Und dass Ralf zu viel Raum einnimmt, das sehe ich nicht. Im Gegenteil, ich denke, dass alle von ihm viel mitgenommen haben und mitnehmen. Er hat unglaublich viel Expertise, Wissen und Kompetenz.

Was ist mit Ihrer zukünftigen Rolle als Vereinsvorsitzender und Geschäftsführer?
Da ist noch nichts entschieden.

Sie wollten sich mit dem Aufsichtsrat bereits getroffen haben.
Es war zeitlich noch nicht möglich. Aber auch bei mir gibt es keinen Morgen, wo ich aufstehe und mir sage: Ups, ich habe ja nur noch bis 2019 Vertrag. Ich denke, wir sind bei dem, was wir bislang geleistet haben, alle ziemlich zufrieden. Deshalb gibt es da bei diesen Personalentscheidungen keine Eile.

Sie wollen beide Posten, Geschäftsführer und Vorstand des Vereins, weiter ausfüllen?
Das wird man sehen. Aber warum nicht.

Die Vereinsarbeit dürfte überschaubar sein, sie haben ja nur eine Sportart.
Vielleicht ändert sich das bald. Es gibt Überlegungen, die ein oder andere Sportart nach und nach zu integrieren.

An welche denken Sie?
Konkret an noch keine. Unsere erste Überlegung gilt der Frage: Wie bauen wir unseren e.V. aus?

Vergangenes Frühjahr haben Sie davon gesprochen, ihren Fußballbereich auszuweiten – auch auf China und Lateinamerika. Was bringt ihnen das?
Zum einen sehen wir die Verantwortung als Mitglied der Bundesliga, das Produkt nach außen zu tragen. Wir sind aber nicht der Verein, bei dem alle sagen: RB Leipzig, RB Leipzig, RB Leipzig! Wir sind nicht Dortmund, Bayern oder Schalke. Diese Vereine haben eine ganz andere Strahlkraft. Nichtsdestotrotz sind wir bemüht, uns am Thema Internationalisierung zu beteiligen.

Weil Sie gern helfen?
Beteiligen wir uns intensiver an der Vermarktung der Liga, können wir auch mehr TV-Geld beanspruchen. Außerdem können wir unser Knowhow in andere Klubs tragen. Im Gegenzug bekommen wir Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen.

Auch zu Spielern?
Auch das. Genauso wie zu Partnern und Sponsoren. Und es ist so, dass solche Kooperationen auch bezahlt werden. Das kann sich auszahlen in Bekanntheit der Marke und direkt als Gegenleistung für unser Knowhow.

Gibt es Überlegungen, innerhalb Deutschlands mit einem Verein zu kooperieren. Der Hallesche FC böte sich an, er liegt in unmittelbarer Nachbarschaft. Immerhin haben Sie ihre U-23 aufgelöst.
(lacht) Nein, die gibt es nicht.

Wie wird der Verein Rasenballsport Leipzig in zehn Jahren aussehen?
Anders als jetzt. Auch der Verein mit dem Fokus auf die Jugend- und Mädchenmannschaften wächst und entwickelt sich in seinem Vereinsleben stetig weiter.

Auch was die stimmberechtigten Mitglieder angeht?
(lacht) Auch die Mitgliederzahlen entwickeln sich permanent weiter, mittlerweile haben wir fast 1.000 Vereinsmitglieder, die sich zu einem großen Teil im Verein einbringen. Das geschieht beispielsweise bei Diskussionen in der Mitgliederversammlung oder bei der Organisation von gemeinsamen Fanfesten.

(mz)