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"Ich kann es kaum erwarten" Davie Selke: RB-Stürmer ist heiß auf Werder Bremen

Von Martin Henkel 20.10.2016, 17:30

Leipzig - Davie Selke ist gekommen. Es gibt keinen besseren vor dem Spiel von RB Leipzig am Sonntag gegen Werder Bremen (17.30 Uhr) für ein Gespräch über dieses, jenes und den kommenden Gegner. Selke war Spieler in Bremen, Winter 2013 bis Sommer 2015. U-19, Bremen II, 1. Männermannschaft - zusammen waren das 91 Spiele und 29 Tore. Jetzt spielt er für RB. Deshalb Selke. Der hat was zu erzählen. Bestimmt.

Weil Selke in Bremen eine Art Wunderkind gewesen ist, nicht ausgereift, aber ausgestattet mit allerfeinsten Torjäger-Fähigkeiten: 1,94 groß, sprungkräftig, gute Nase, gutes Auge und eine geradlinige Auffassung von den Pflichten eines Stürmers: nämlich Tore schießen. Was ein bisschen fehlte, waren Athletik und Technik, kann ja aber noch kommen. Deshalb der Wechsel vor einem Jahr zu den Profi-Ausbildern nach Leipzig, deren Leitmotiv es ist, Talente zu schleifen.

Selke passt nicht in Hasenhüttls System

Und jetzt sitzt Selke im ersten Liga-eins-Jahr mit dem Aufsteiger aus Sachsen: auf der Bank. So wie es aussieht, wird sich daran so schnell auch nichts ändern. Denn alles deutet darauf hin, dass das nicht unbedingt an Selke liegt, sondern am System, das Trainer Ralph Hasenhüttl spielt. Strafraumstürmer klassischer Prägung, wie Selke einer ist, braucht der Österreicher für sein Gegenpressing eigentlich nicht.

Sondern Konterfußballer. Einen Sprinter wie Timo Werner. Und einen Zwischenraumschleicher, der die Balleroberungspässe annehmen, weiterleiten, verwerten kann. So einen wie Yussuf Poulsen. Deshalb: Selke hat sicherlich auch dazu was zu sagen. Mehr noch als zu Bremen. Denn das eine ist was fürs Herz, das andere Thema betrifft die Karriere. Und zwar elementar.

Davie Selke nimmt Platz, das kurze Haar im Scheitel fest auf dem Kopf verankert. Glitzernde Quadrate in den Ohrläppchen, blendend weiße Sneaker wie aus der Schuh-Schachtel und ein Klubtraininganzug, dessen Kragen, so man ihn schließt, weit übers Kinn reichen würde. Davie Selke nästelt dran herum. Auf, zu, auf, zu, nein, doch eher auf. Jetzt passt es. Davie Selke ist bereit.

Davie Selke: "Ich kann es kaum erwarten.“

Bereit, um in den nächsten Minuten vor allem einen Auftritt zu absolvieren, der zum Ziel hat, keine einzige Emotion durchblicken zu lassen. Klar, ist nicht einfach, sich als acht Millionen Euro teurer Reservespieler auf Fragen von außerhalb einzulassen. Außerhalb, das sind Medien. Und Davie Selke hat sich vorgenommen, ein Abbild von sich zu konstruieren, das nicht den Menschen Davie Selke zeigen soll, sondern den Profifußballer.

Beim Stichwort Werder scheint der Selke aus dem Leben noch durch den Schleier aus Schulungserlernten Kamera-Antworten hindurch. Er freue sich auf Bremen, sagt Selke. Sehr sogar. Auf seine alten Kollegen, auf Masseure, Assistenten, „Menschen, die ich ins Herz geschlossen habe“. Als Selke jetzt aber schon das dritte Mal gefragt wird, wie das so ist mit Bremen und ihm, „Freude, oder?“, antwortet er beharrlich, er freue sich, sehr sogar.

Plötzlich aber drängt ein Satz in den Mundraum, der normalerweise in anderen Zusammenhängen seine Anwendung findet. „Ich kann es kaum erwarten.“ Das sagt er am Dienstag. Sechs Tage vor einem Spiel, in dem Selke aller Wahrscheinlichkeit weder auf der Bank sitzen wird.

Selke: "Meine Stärken habe ich im Strafraum.“

Das passt einfach nicht zusammen. Davie Selke nimmt’s in Kauf. Wichtig ist, alles zu verbergen, was die Kameras als Kritik oder Unmut über das Dasein als Reservist in die Öffentlichkeit zurücksenden könnten. Er trainiere hart, er biete sich an, er warte auf seine Chance. Der Frage, ob das im Hasenhüttlschen System überhaupt was bringt, also: Wo sieht er sich auf dem Feld, wo ist sein Habitat, seine Komfortzone, antwortet Selke: „Ähem, ich bin Stürmer, Mittelstürmer.“ Gelächter in der Runde. Ist doch klar, sagt das Lachen. Nicht ohne Spott. Gut, zweiter Versuch: Im oder vor dem Strafraum? „Meine Stärken habe ich im Strafraum.“

Dort also, wo sich RB nur nach Kontern aufhält. Es lohnt ein Blick auf Selkes Karriere bei den Auswahlmannschaften des DFB, um die Diskrepanz zwischen Strafraum, Selke und RB Leipzig zu verstehen. Alle U-Teams spielen mehr oder weniger wie die A-Nationalmannschaft: dominant, selbstbewusst, Favoritenfußball. Also Strafraumfußball.

Deshalb war Selke in der U-19 gesetzt, die 2014 Europameister wurde. Mit Selke als Torschützenkönig. Deshalb war er bei der U-23 gesetzt, die bei Olympia sich bis ins Finale spielte, das sie gegen Brasilien erst im Elfmeterschießen verlor (5:6). Und deshalb war Davie Selke zuletzt auch bei der U-21 unter dem neuen Trainer Stefan Kuntz gesetzt, wo er in den zwei EM-Quali-Spielen gegen Russland (4:3) und Österreich (4:1) von Beginn an spielte, er schoss jeweils ein Tor.

Übrigens: Timo Werner war im ersten Spiel Reserve, im zweiten angeblich verletzt schon nicht mehr dabei. Wenige Tage später stand er gegen Wolfsburg in der Startelf.

Davie Selke: „Da gibt es keine Probleme bei meiner Einstellung.“

Darüber könnte man reden. Aber man dringt nicht durch zu Davie Selke, dem 21 Jahre alten Fußball-Ersatzspieler wider Willen. Selbst der Hinweis, dass Ralph Hasenhüttl unlängst über seinen Reservestürmer gesagt hat, er sehe ihn eher als Joker, erreicht zwar den Kopf, aber nicht das Gemüt. Ja, das sei so, damit müsse er leben. Könne er aber auch. Er trainiere hart, “ich bin Sportler“. Er haue immer alles raus, will sich da reinarbeiten und kämpfen. Und lernen, wie man so extrem gegenpresst wie bei RB. „Da hole ich mir auch Tipps.“ Um dann auf die nächste Einsatz-Chance zu warten. „Da gibt es keine Probleme bei meiner Einstellung.“ Natürlich nicht. Und wenn diese Chance dann kommt: unbedingt nutzen.

Nur, noch einmal, liegt es an Poulsen, an Werner, dass Selke nicht spielt? Oder am System?

Wechsel die bessere Option? Selke: "Ich will den Weg hier in Leipzig gehen"

Liegt es am System, was wäre nahe liegender, als sich Gedanken darüber zu machen, ob es sinnvoller sein könnte, die Karriere woanders wieder in Gang zu bringen. Ist denkbar, fragbar, aber man bekommt auf solche Fragen heute von keinem Fußballer mehr eine Antwort. Ist zu heikel, zu gefährlich, man wird oft missverstanden hier und verzerrt dort.

Also geht es darum, die Öffentlichkeit nur noch sehen und hören zu lassen, was sie sehen und hören soll. Unmut, Frustration, Zerknischtheit gehören nicht dazu. Einen Versuch ist es trotzdem wert. Also, wann wäre für einen talentierten Stürmer alter Prägung auf der Bank einer Mannschaft, die den gegnerischen Strafraum nur im Sprint ansteuert, der Punkt erreicht, zu sagen: Ich suche mein Glück bei einem anderen Verein. Davie Selke sagt: „Es liegt jetzt daran, mich reinzuspielen in die Startelf. Ich will den Weg auch hier gehen in Leipzig.“