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Leipziger Vereine nach dem Mauerfall Leipziger Vereine nach dem Mauerfall: Erst RB brachte den großen Fußball zurück

09.11.2019, 07:45
Der 1. FC Lokomotive Leipzig läuft zum Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger 1986/1987 gegen Girondins Bordeau auf.
Der 1. FC Lokomotive Leipzig läuft zum Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger 1986/1987 gegen Girondins Bordeau auf. imago/VI Images

Leipzig - Legendäre Europapokal-Nächte, zweimal Fußballer des Jahres: Rene Müller von Lok Leipzig gehörte mit seinem eigenwilligen Torwartspiel zu den Stars des DDR-Fußballs und erlebte mit Lok Leipzig glanzvolle Zeiten. Doch mit dem Mauerfall am 9. November 1989 vor 30 Jahren kamen die Probleme. Lok konnte nie mehr an die Erfolge anknüpfen und steht heute ganz im Schatten von RB Leipzig.

Als hätte er eine Vorahnung, erlebte Müller den Abend des Mauerfalls mit gemischten Gefühlen. „Ich habe mich schon gefreut, aber euphorisch war ich nicht“, erzählte der Kult-Keeper im Interview mit dem SID.

Gerade in Leipzig war die Revolte groß, und Müller wollte an diesem Donnerstag in den Trubel eintauchen, doch seine Frau ahnte, dass es turbulent zugehen könnte. „Du bleibst hier, gehst mit deinem Sohn in die Wanne“, ordnete die Gattin an, der Sohn war gerade ein halbes Jahr alt.

Beim Mauerfall wurde Müller in die Badewanne geschickt

In den nächsten Monaten mussten sich Müller und seine Mitspieler im Eiltempo auf die neuen Verhältnisse einstellen. „Meine Wendezeit war holprig, wie für viele Ostdeutsche“, meinte der heute 60-Jährige. Er selbst stand ebenfalls vor einem Einschnitt. „Ich war 30, hatte kaputte Knochen, mein Studium nicht beendet. Ich wusste nicht, wo die ganze Sache hingehen sollte“, berichtete der Leipziger.

Vor dem Mauerfall hatte der Schlussmann mit Lok für große Momente des DDR-Fußballs gesorgt, stand in 39 Europapokalspielen zwischen den Pfosten. Höhepunkt war das Halbfinal-Rückspiel im Pokalsieger-Cup 1987. Vor 73.000 Zuschauern schmiss die Loksche im Leipziger Zentralstadion Girondins Bordeaux raus. Müller hielt im Elfmeterschießen erst einen Schuss, ehe er den entscheidenden Strafstoß selbst unter die Latte donnerte.

Dass so viele DDR-Klubs nach der Wende Probleme bekommen sollten, überraschte Müller nicht. „Die Fußball-Vereine im Osten waren für die Wende nicht gut aufgestellt. Die besten Spieler wurden in den Westen verkauft, einige Ostklubs fielen in ein tiefes Loch“, sagte der Schlussmann.

„Die Fußball-Vereine im Osten waren für die Wende nicht gut aufgestellt“

Vielen ehemaligen DDR-Klubs fehlte es nach der Wende an Finanzkraft und Know-how. Auch habe es keinen echten politischen oder wirtschaftlichen Willen für einen Aufschwung Ost im Fußball gegeben. „Nehmen sie das Beispiel Lokomotive Leipzig. Der Klub wäre doch vom Namen her interessant für die Deutsche Bahn gewesen. Doch es gab nicht einmal eine Annäherung“, so Müller.

Neben Lok, das von 1991 bis 2004 unter dem Namen VfB Leipzig firmierte, taumelten mit Dynamo Dresden und dem 1. FC Magdeburg weitere DDR-Topklubs durch die Nachwendezeit. Hansa Rostock und Energie Cottbus schafften zwar den Sprung in die Bundesliga, fristen heute mit DDR-Europapokalstarter wie Carl Zeiss Jena, BFC Dynamo oder Rot-Weiß Erfurt ein kärgliches Dasein in der 3. oder 4. Liga.

RB Leipzig brachte den großen Fußball zurück in die Stadt

Den richtig großen Fußball brachte erst RB Leipzig in die Messestadt zurück. Müller verfolgte die Entwicklung aus der Distanz. Das Konstrukt des Getränkeunternehmens Red Bull hat sich innerhalb von nur zehn Jahren in der deutschen Spitze etabliert, spielt Champions League. „Ich habe immer gesagt, dass Leipzig nur einen großen Verein braucht. Red Bull hat das verwirklicht“, sagte Müller.

Mittlerweile arbeitet Müller dank der Vermittlung von Ex-Coach Hans Meyer als Scout für Borussia Mönchengladbach, besucht manchmal auch die Red-Bull-Arena. „Es ist schon erstaunlich, wen man da alles trifft. Da sind Sponsoren, die früher ihr Geld zu Lok oder Chemie Leipzig gebracht haben“, so Müller. Die Lok-Ikone hat eine klare Meinung zu RB: „Man muss den Verein nicht lieben, aber respektieren.“ (sid)