Heute vor 20 Jahren Heute vor 20 Jahren: Bierhoff und sein Golden Goal

Paris - Der 30. Juni 1996 hat das Leben von Oliver Bierhoff grundlegend verändert. Mit seinem Golden Goal im EM-Finale schrieb der heutige Teammanager Geschichte.
Joachim Löw ging seinem Teammanager Oliver Bierhoff am Donnerstag lieber aus dem Weg. „Ich bin froh, wenn ich das nicht höre. Das erzählt Oliver oft genug“, sagte der Bundestrainer zu Beginn der Woche - und er grinste breit. Das sei der Tag, „wo Oliver durch das Hotel schwebt. Wir müssen ihn immer mal ein bisschen runterholen, aber das gelingt uns ganz gut“, ergänzte Torwarttrainer Andy Köpke. Bierhoff selbst widersprach exakt 20 Jahre nach seinem historischen Golden Goal dieser Darstellung vehement. „Es hat heute Morgen niemand an meiner Tür geklopft und mich abgeholt und meinen Kaffee musste ich mir auch selbst holen“, sagte er schmunzelnd.
Vielmehr habe er Köpke ein kleines Präsent vors Zimmer gelegt: „Denn ohne seine Zauberhände wären wir nie ins Finale gekommen.“ Schon während der EM 2012 hatte Bierhoff die Mannschaft bei einer Ansprache launig aufgefordert, doch bitte endlich den Titel zu holen: „Ich möchte nicht ständig über Deutschlands letzten EM-Sieg reden müssen“. Vier Jahre später wiederholte er diese Aufforderung: „Ich würde mich freuen, wenn wir in vier Jahren über den Titel 2016 reden könnten.“ Löw und Köpke hatten zuvor aber vom 30. Juni 1996gesprochen, an dem sichBierhoff mit seinem Golden Goal im EM-Finale gegen Tschechien (2:1) einen festen Platz in der deutschen Fußball-Historie gesichert hat.
Noch heute, 20 Jahre danach, ist der letzte deutsche EM-Titel unweigerlich mit dem Namen Bierhoff verbunden. „Dieses Tor erzielt zu haben, ist natürlich eine Ehre, auf die ich stolz bin“, sagte der 48-Jährige im EM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Evian, als er zum x-ten Mal über seine Gefühle von damals berichten sollte. „Aber“, fügte er bestimmt an, „irgendwann nach 20 Jahren reicht es dann auch. Es wird Zeit, dass wir eine neue Geschichte schreiben.“ Doch so eine Geschichte wird es nach der Abschaffung der Regel im Jahre 2004 nicht mehr geben. Bierhoff, bis dahin nur Ergänzungsspieler, avancierte von einer auf die andere Sekunde zum Helden.
„Das hat mein Leben verändert“
„Das Golden Goal hat mein Leben verändert. Hätte ich nicht dieses Tor gemacht, würde ich vielleicht jetzt nicht hier sitzen. Nochmals einen Dank an dieses Team von 1996. Das war der Start für mich in eine internationale Karriere“, sagte der frühere Italien-Legionär am Donnerstag. Dabei habe er unter Bundestrainer Berti Vogts bis zum Finale nicht „das große Vertrauen gespürt“, erinnerte er sich. Doch Vogts brachte Bierhoff in der 69. Minute für Mehmet Scholl und bewies ein goldenes Händchen. Der Torjäger glich zunächst die tschechische Führung durch Patrik Berger aus (73.), ehe in der 95. Minute im Londoner Wembleystadion der ganz große Moment folgte: Eine Flanke von Jürgen Klinsmann landete im Strafraum bei Bierhoff, der sich links um die eigene Achse drehte und schoss.
Er habe „im Leben nicht daran gedacht, dass der Ball reingeht“. Doch Torwart Petr Kouba ließ den leicht abgefälschten Kullerball durch die Hände rutschen - Deutschland war zum dritten Mal Europameister. Er habe nach dem Treffer einen „dreiminütigen Blackout“ gehabt, sagte Bierhoff später. Es sei etwas „Unbegreifliches“ gewesen. Derart unbegreiflich, dass sich Bierhoff im Ekstase-Modus „erstmals und letztmals“ in seiner Laufbahn das Trikot vom Leib riss. Er habe das bei anderen „immer ein bisschen affig“ gefunden, doch irgendwie sei der „ganze Ballast weggefallen und es blieb pure Freude“. Erst am nächsten Morgen sei ihm bewusst geworden, „welche Wirkung unser Sieg hatte“. (sid)