Auftakt in EM-Saison Auftakt in EM-Saison: Zehnkämpfer Rico Freimuth und Luca Wieland starten in Götzis

Halle (Saale) - Immer, wenn Rico Freimuth mental in den Wettkampfmodus verfällt, dann neigt er zu Hyperaktivität und flotten Sprüchen. Das ist weder unsympathisch noch frevelhaft, sondern seine seit Jahren ganz eigene Art, aufkommende Nervosität zu überspielen.
In seiner inneren Unruhe, die er nach außen trägt, gleicht Halles Zehnkämpfer einem Rennpferd vor dem Start. Also tigert er an diesem Trainingstag kurz vor dem ersten wichtigen Wettkampf der Saison über die Anlage an der Robert-Koch-Straße in Halle. Im Kugelstoßen, Hochsprung und bei einem 200-Meter-Lauf testet er seine Form im Hinblick auf das Hypomeeting am Wochenende in Götzis, dem Mekka der Mehrkämpfer in Österreich. Dort geht es für die deutschen Athleten um Freimuth, Vizeweltmeister 2017, um die Qualifikation für die EM im August in Berlin.
Der deutsche Star hat während seiner Trainingseinheit den Oberkörper blank gelegt. Wegen der enormen Hitze. Bei den Versuchen ist er fokussiert. Dazwischen redet er von seiner Rolle im großen Feld der weltbesten Zehnkämpfer, das in Götzis antritt. „Ich bin der Löwe, die Anderen sind die Lämmer“, meint er. Es klingt großspurig. Doch so pusht er sich - nachdem er noch vor Tagen in einem mentalen Tief steckte: „Mich hat wirklich die Frage beschäftigt: Wie motiviere ich mich für dieses Jahr? Der Höhepunkt ist ja nur eine EM“, sagt der 30-Jährige, der mittlerweile zwei WM-Medaillen (2015 noch Bronze) eingesammelt hat.
Zugleich hat er die Antwort parat: „Eine EM in Berlin, das ist etwas besonders. Außerdem bin ich erst einmal bei einer EM gestartet“, sagt er. 2012 war das in Zürich. Da hat er vor lauter Enttäuschung über sich selbst den Wettkampf am Ende abgeschenkt und wurde Siebter. „Sowas passiert mir nicht mehr“, sagt er und schaut voraus: „In Berlin wird das Duell mit Weltmeister Kevin Mayer eine Herausforderung. Ich liebe solche Duelle“, sagt er und meint: „Da werde ich zum Killer.“
Die Ergebnisse von Rico Freimuth bei seinen bisherigen Starts beim Hypo-Meeting:
2014: 3. mit 8.317 Punkten
Sieger: Hardee (USA) 8.518
2013: Aufgabe am Tag eins
Sieger: Warner (Kan) 8.307
2012: 4. mit 8.322 Punkten
Sieger: Van Alphen (Bel) 8.519
2011: 7. mit 8.153 Punkten
Sieger: Hardee (USA) 8.689
Die Ergebnisse von Rico Freimuth bei seinen bisherigen Starts beim Hypo-Meeting:
2017: 3. mit 8.365 Punkten
Sieger: Warner (Kan) 8.561
2016: kein Start
Sieger: Warner (Kan) 8.523
2015: 4. mit 8.380 Punkten
Sieger: Kazmirek 8.462
Obwohl er als Vizeweltmeister einen Bonus hat, muss er sich wie alle anderen deutschen Zehnkämpfer für den Höhepunkt in der Hauptstadt qualifizieren. 8 000 Punkte verlangt der Verband dafür. Recht wenig. „Wenn ich zum Einstieg in Götzis um die 8 300 Punkte mache, bin ich zufrieden“, sagt Rico Freimuth.
In Deutschland sieht sich der Hallenser als „der Gejagte“. Und das Feld der Jäger ist groß. Angefangen vom WM-Dritten Kai Kazmirek über Rückkehrer Artur Abele, dem einstigen Junioren-Champion Niklas Kaul bis hin zu Freimuths Trainingskollegen Luca Wieland.
Der 23-Jährige ist in diesem Jahr nach Halle gewechselt, um an Freimuth zu wachsen. Und auch ihn hat die innere Unruhe erfasst. Verständlich: Wieland wird in Götzis debütieren. „Ich bin schon etwas aufgeregt“, gesteht der junge Mann, der gern zunächst seine Bestleistung von 8 201 Punkten bestätigen möchte. Doch während sich Freimuth gern an den Gegnern reibt, weiß Wieland, dass es vor allem ein Kampf gegen sich selbst wird.
„Natürlich will man zeigen, was man kann. Aber ich muss meinen Stolz runterschlucken und zunächst erst einmal durch den kompletten Wettkampf kommen“, sagt Luca Wieland. „Da können Enttäuschungen passieren. Wenn ich etwa nur 7,30 Meter weit springen sollte, muss ich das wegstecken - weiter geht’s“, meint der 7,91-Meter-Springer. Ruhig bleiben, ist seine Devise. „Erst, wenn ich den Wettkampf geschafft habe, kann ich mir womöglich Gedanken über eine Qualifikation für die EM machen.“ Ähnlich sieht es Trainer Wolfgang Kühne: „Für Luca gilt: Er muss locker bleiben.“
Freimuth wird dann im Training beim Hochsprung-Vergleich von Wieland geschlagen. „Er ist wie so viele ein größeres Talent als ich es je war“, sagt der Ältere. „Entscheidend ist aber: Wie gehst du mit dem Druck um.“ (mz)