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Verständnis aus der Bibel Verständnis aus der Bibel: Jungfrau oder junge Frau?

19.12.2002, 10:58
Papst Johannes Paul II. während einer Messe in Kiew vor einem Bild der Heiligen Maria mit dem Jesuskind. (Foto: dpa)
Papst Johannes Paul II. während einer Messe in Kiew vor einem Bild der Heiligen Maria mit dem Jesuskind. (Foto: dpa) epa

Rom/dpa. - Wie viel Jungfrauen schon ein Kind zur Welt gebracht haben, weiß niemand so genau. Immerhin berichteten britische Mediziner, 1999 in Birmingham eine sexuell unberührte Frau künstlich befruchtet zu haben. Und auch die derzeitigen (angeblichen) Versuche mit dem Klonen kommen dem Phänomen, das vor 2000 Jahren mit der Geburt im Stall von Bethlehem so starkes Aufsehen erregt hatte, in gewissen Sinne recht nahe: Der Mann als Erzeuger spielt keine Rolle, die Gebärende bleibt «unbefleckt» - wird das Kind durch Kaiserschnitt geholt, ist die Sache mit der Jungfräulichkeit rein medizinisch gesehen perfekt.

«Parthenogenese» heißt der medizinisch-naturwissenschaftliche Begriff - wörtlich Jungfrauengeburt. «Kommt beim Menschen normalerweise nicht vor», kommentiert der Mikrobiologe Michael Brand vom Max-Planck-Institut Dresden kühl. Doch natürlich haben solche Experimente mit dem Geschehen und dem Verständnis aus der Bibel nicht das Mindeste zu tun.

Dabei waren wundersame Zeugungen, bei denen gewöhnlich-sterbliche Frauen und Götter zusammenkamen, in der Antike angeblich gang und gäbe. Der Tübinger Theologe Hans Küng verweist darauf, dass die ägyptischen Pharaonen der Überlieferung zufolge das Licht der Welt erblickten, nachdem der Gott Amon-Re eine Jungfrau heimsuchte. Poetische und stark geschönte Lobpreisungen besagen, bei der Zeugung Alexander des Großen sei Göttliches am Werk gewesen. Und auch Buddha sei ohne vorherigen Sex geboren worden: Der Erleuchtete aus Indien sei vielmehr in Gestalt eines weißen Elefanten in den Leib seiner Mutter Maya eingegangen.

Auch Griechengott Zeus stieg laut Mythologie zur schönen Leda herab (in Gestalt eines Schwans) oder zu Europa (als Stier) - in den Schoß der Königin Danae ergoss er sich als Goldregen. Geboren wurden dann Halbgötter. «Es ist unübersehbar: Etwas exklusiv Christliches ist gerade die Jungfrauengeburt aus sich selbst heraus nicht!», konstatiert Küng. Und auch in der Bibel gibt es reihenweise Geburten, bei denen Unerklärliches im Spiel gewesen sein muss: Alte Eheleute, die Frau unfruchtbar, erlebten noch «im vorgerücktem Alter» Kindersegen, darunter auch die Eltern von Johannes dem Täufer.

Doch das dürfte nichts daran ändern: Viele Menschen dürften am Heiligen Abend mit der Weihnachtsgeschichte ihre Probleme haben. Dabei kennen nur die beiden Evangelisten Lukas und Matthäus die Sache mit der Jungfräulichkeit. «Fürchte Dich nicht», sagt da der Engel zu Maria, die nach eigenen Worten ihrem Josef noch nicht beiwohnte. «Der Heilige Geist wird über Dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird Dich überschatten.» Reine Poesie, unverständlich für den modernen Menschen? Oder hat sich da einfach ein Übersetzungsfehler eingeschlichen, wie viele Theologen heute meinen?

Kern der These: Die beiden Evangelisten haben sich beim Abfassen ihrer Story nicht nur am wirklichen Geschehen, sondern auch von Voraussagen des Propheten Jesaja leiten lassen. Der wiederum habe in seinem hebräischen Text von «alma» gesprochen, was aber lediglich junge Frau heißt. «Das hat nichts mit der Vorstellung sexueller Unberührtheit zu tun», meint etwa die Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann.

Mehr noch: Selbst das Altgriechische «parthénos», räumen Theologen ein, nehme es nicht ganz so streng mit der sexuellen Berührung. «Das häufig vorkommende Wort "Jungfrau" hat in der Antike einen weiteren Sinn als bei uns», bescheiden einschlägige theologische Lexika. «Es bezieht sich in erster Linie nicht so sehr auf die Unberührtheit als vielmehr auf die Blüte, Frische.» Also: Jungfrau oder junge Frau?

Erbittert wurde und wird der Streit um die «Unbeflecktheit» von Maria geführt - vor allem im religiös nüchternen Deutschland. Kritiker sehen in der «Hochstilisierung der Jungfräulichkeit» eine Quelle der Sexual- und Sinnenfeindlichkeit in der katholischen Kirche. Bleibt das Phänomen, dass gerade die Marienverehrung von Lateinamerika bis Polen und Italien, Millionen Menschen in den Bann schlägt. «Eine kleine Marienstatue an der Straßenecke, ein paar künstliche Blumen davor, die Menschen brauchen etwas fürs Herz - nur die coolen Deutschen nicht», meint ein Theologe im Vatikan.