1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Tiere: Tiere: Mandarinente und Nerz «flüchten» nach Europa

Tiere Tiere: Mandarinente und Nerz «flüchten» nach Europa

Von Jonathan Stock 26.07.2007, 06:00
Eine Mandarinente (Aix galericulata) schwimmt auf einem Gewässer im Berliner Tiergarten. (Foto: dpa)
Eine Mandarinente (Aix galericulata) schwimmt auf einem Gewässer im Berliner Tiergarten. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Nicht umsonst ist das Tier nach den herrschaftlichgekleideten kaiserlichen Würdenträgern aus dem alten China benannt:Mandarin-Ente. Dabei ist ihr Erscheinen in europäischen Breiten nichtselbstverständlich. Als asiatischer Flüchtling hält sie sich hierauf, still und heimlich hat sie sich vor Jahrzehnten aus dem BerlinerZoo geschlichen und in die einheimische Tierwelt integriert. DerAmerikanische Nerz hat die «Flucht» nach Europa ebenfalls geschafftund ist längst auch in den neuen Bundesländern massenhaft heimisch.

Wolfgang Mädlow, Ornithologe und Landesgeschäftsführer des NABUBrandenburg, beobachtet «Ausbrecher» wie die Mandarin-Ente seitvielen Jahren: «Seit den 80er Jahren breiten sie sich verstärkt aus,warum weiß keiner so genau.» Mittlerweile gebe es in Berlin, Potsdamund in der Stadtumgebung 800 bis 1000 Mandarinenten - das sei diegrößte europäische Gruppe außerhalb Großbritanniens. Auch in Dresden,Cottbus und Leipzig gibt es schon kleine Populationen. Meisterhobenen Hauptes schwimmt sie auf Teichen und Seen, stolziertgelassen über Baumstümpfe, putzt sich majestätisch.

Mädlow interessiert, wie sich eine ortsfremde Art hier einfügt.Wie verhält sie sich in einer völlig neuen Umwelt, bleibt sieabhängig vom Menschen? «Im Prinzip lebt sie hier wieder alsWildvogel, nur den Zugtrieb hat sie abgelegt», meint Mädlow. Dienaturnahen Gewässer mit altem Baumbestand scheinen ihr gut zugefallen. Die kennt die Art aus ihrer ursprünglichen Heimat in TeilenChinas, Japans und Südrusslands. Stören tut sie eigentlich keinen,nur in Cottbus konkurriert sie mit der Schellente um Bruthöhlen.

Ein weiterer Ausbrecher, der in den neuen Bundesländern heimischwurde, ist weniger beliebt: der Amerikanische Nerz, auch Minkgenannt. Sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet ist Nordamerika. Dochsein seidiges schwarzes Fell gefiel im vorigen Jahrhundert auch inEuropa. Pelztierfarmen importierten das Tier. Von den 50er Jahren angelang einzelnen Tieren die Flucht, von den 70ern an befreitenTierschützer Tausende Minks aus unzumutbaren Bedingungen der Haltung.

Die in Freiheit überlebenden Tiere vermehrten sich rasant, vorallem entlang der Wasserwege. Jürgen Goretzki vom Institut fürWaldökologie in Eberswalde schätzt, dass «mindestens mehrerezehntausend Tiere in den neuen Bundesländern vorhanden sind». DerNerz ist ein geschickter Jäger, der gut schwimmen und tauchen kann.Neben Fischen, Amphibien und Kleinsäugern ernährt er sich auch vonWasservögeln. Dabei schleicht er sich unter Wasser an und greift sichden Vogel als Beute.

Der Zoologe Ingo Kowarik von der TU Berlin beschwichtigt: «Naturist dynamisch. Wir haben ständig Veränderungen, es kommen Artenhinzu, und es sterben Arten aus.» Diese Dynamik sei allerdingserheblich beschleunigt worden durch den Austausch zwischen denKontinenten, der früher viel langsamer vonstatten ging. Bisamratten,Marderhunde und Waschbären sind ebenfalls absichtlich ausgesetzteoder aus Gefangenschaft ausgebrochene Tiere. Sie sind aber wieMandarinenten und Nerze in ihrer jetzigen Lebenswelt so erfolgreich,dass man sie nicht einfach zurücknehmen kann, selbst wenn sieintensiv bejagt werden würden.

Die wirtschaftlichen und ökologischen Schäden seien jedoch bei neueingeführten Insektenschädlingen, wie dem Kartoffelkäfer, wesentlichhöher. Kowarik rät: «Wir müssen, so gut es geht, mit den neuen Tierenleben, schließlich haben wir auch Verantwortung für das, was sichergeben hat.»