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Tiere Tiere: Maikäferflüge sind ein gigantisches Naturschauspiel

Von Sabine Ränsch 05.05.2006, 13:02
Ein frisch geschlüpfter Maikäfer sitzt am Donnerstag (04.05.2006) in einem Wald am Rande von Darmstadt auf einem angefressenen Blatt. (Foto: dpa)
Ein frisch geschlüpfter Maikäfer sitzt am Donnerstag (04.05.2006) in einem Wald am Rande von Darmstadt auf einem angefressenen Blatt. (Foto: dpa) dpa

Darmstadt/dpa. - Ganz langsam schiebt sich der Maikäfer aus demwarmen Sandboden. Benommen und geblendet von der Sonne kriecht ertapsig ans Licht. Minuten dauert es, bis er seine Flügel ausbreitetund zu seinem ersten Flug startet. Schnurstracks steuert der brauneBrummer die nächste Eiche an, die gerade ihre frisch-grünen Blätterentfaltet hat, und beginnt zu fressen. In Südhessen sind Maikäfer zurPlage geworden, auch im Kaiserstuhl tauchen sie massenweise auf. Invielen anderen Regionen Deutschlands sind sie dagegen eher selten.

Südlich von Darmstadt (Hessen) ist derzeit ein gigantischesNaturschauspiel zu beobachten: Millionen Wald-Maikäfer krabbelninnerhalb weniger Tage aus der Erde. Die warme Frühlingssonne hat denBoden aufgewärmt und den Käfern damit das Signal gegeben, ans Lichtzu kommen. Alle vier Jahre fliegen die Tiere in Massen aus, fürSüdhessen ist es schon das sechste Maikäfer-Massenflugjahr seit 1986.Auf 9000 Hektar - das entspricht einer Fläche von 18 000Fußballfeldern - hat sich «Melolontha hippocastani» ausgebreitet. DasGebiet reicht inzwischen von Darmstadt bis über die baden-württembergische Landesgrenze nach Mannheim - und jedes Jahr dringendie Käfer weiter vor.

Die jetzt ausfliegende Käfergeneration wurde vor vier Jahrenangelegt: Aus befruchteten Maikäfereiern entwickelten sich Engerlingeund daraus schließlich die Käfer, die nun für kurze Zeit überirdischleben, fressen und sich paaren. In etwa drei Wochen sterben sie, wenndie neue Brut in der Erde liegt.

Für Forstleute haben Maikäfer nichts Romantisches. Laubbäume imbetroffenen Gebiet werden in den nächsten Wochen kahl gefressen, vorallem Eichen und Buchen steuern die Brummer an. Wenn dort nichts mehrzu holen ist, weichen sie auf andere Arten aus und verschmähen ingrößter Not sogar Kiefernnadeln nicht. Der Kahlfraß ist allerdingsnicht das größte Problem, denn die Bäume bekommen Ende Juni mit dem«Johannistrieb» neue Blätter. Viel schlimmer sind die Schäden unterder Erdoberfläche: Die Engerlinge fressen die Feinwurzeln der Bäume.Sie zerstören damit den Nährstofftransport, die Bäume sterbenschließlich ab.

Riesige Schäden haben die Maikäfer in den vergangenen zweiJahrzehnten in Südhessen angerichtet, große Flächen drohen zuversteppen. Schon heute ist der Wald in der betroffenen Regionsichtbar geschädigt, auch wegen der Schadstoffeinträge aus der Luft,anderer Schädlinge und Grundwasserabsenkung. Neuanpflanzungen vonLaubbäumen gibt es seit Jahren nicht, denn sie hätten keineÜberlebenschance. Zwar sind die eiweißreichen Insekten ein Festmahlfür Fledermäuse und Vögel, und Wildschweine wühlen die Engerlinge ausdem Boden, aber auch wenn sie die Insekten tonnenweise vertilgen -«es sind viel zu viele», sagt Horst Gossenauer-Marohn vomLandesbetrieb Hessenforst.

Im Kaiserstuhl krabbeln vor allem Feld-Maikäfer aus dem Boden undwerden mit Hilfe von Hubschraubern getötet, die ein Insektizidversprühen. «Die Bekämpfung erfolgt mit dem für den ökologischenLandbau zugelassenen Insektizid Neem-Azal», sagt Michael Glas,Pflanzenschutzexperte beim Regierungspräsidium Freiburg.

Die Hessische Landesregierung will in diesem Jahr auf 500 Hektarversuchsweise neben dem Pflanzenschutzmittel auch Pilzsporenausbringen. Die Sporen des Pilzes «Beauveria brongniartii» gehören zuden natürlichen Feinden der Käfer, sind aber nach Darstellung desUmweltministeriums für andere Insekten unschädlich. Als Ergänzungwird ebenfalls Neem-Azal versprüht, das auch gegen Kartoffelkäferwirkt. Naturschützer lehnen die Bekämpfung ab. Maikäfer seien in densüdhessischen Wäldern heimisch, das Ökosystem sei auf die Tiereeingestellt, meint der Naturschutzbund (NABU).

Große Maikäferbestände brechen nach Darstellung des NABUnormalerweise von selbst zusammen, wenn sie von Krankheiten befallenwürden. Als Gründe für die immer wiederkehrende Plage ohnenatürlichen Zusammenbruch nennt der NABU die Absenkung desGrundwassers und Fehler der Forstwirtschaft. Experten fürchten, dasses 2010 noch schlimmer kommt.