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Straßenverkehr Straßenverkehr: Mit dem Navigationsgerät in den Stau

Von GUNTHER IMMENHOFF 03.03.2010, 18:32

MÜNCHEN/Halle (Saale)/MZ - Auch Rainer Sempert,Bürgermeister von Könnern (Salzlandkreis)kennt die Tücken der Technik: "Wir erlebenimmer öfter, dass sogar Schwertransporte aufschmalen Dorfstraßen der Ortsteile hängenbleiben",berichtet er.

Stadt plötzlich voller Autos

Auch auf der B 6, die mitten durch Könnernführt und nach der Eröffnung der AutobahnA 14 zwischen Halle und Magdeburg im Jahr2000 erheblich vom Verkehr entlastet wordenwar, habe sich der Lkw-Verkehr in den vergangenenJahren wieder etwa verdreifacht, so Sempert.Verantwortlich dafür macht er die Routenempfehlungender Navigationsgeräte. Auch im nahen Bernburgkennt man das Problem. "Bei Unfällen oderStaus auf der A 14 haben wir die Stadt plötzlichvoller Autos", sagt Wirtschaftsdezernent HolgerDittrich. Gerade Zusatzfunktionen modernerNavigationsgeräte haben Tücken, warnt derADAC. Immer öfter würden Verkehrsproblemein autobahnnahen Kommunen durch Stau-Flüchtlinge,die mit TMC (Traffic Message Channel) unterwegssind, verursacht. TMC übermittelt Verkehrsbeeinträchtigungenim nicht hörbaren Bereich des UKW-Signalsvon Radiosendern. Moderne Navigationsgerätekönnen diese empfangen und bieten Routen zurUmfahrung von Staus oder Baustellen an. InSachsen-Anhalt werden diese Informationenetwa von der Autobahnpolizei im Lagezentrumdes Innenministeriums gebündelt und an dieSender weitergegeben.

Bei einer aktuelle Befragung des ADAC von1000 autobahnnahen Kommunen berichteten zweiDrittel von regelmäßigen Staus auf Ortsdurchfahrtensowie mehr Straßenlärm und schlechterer Luft.In Sachsen-Anhalt meldeten bei der Befragungneben Könnern und Bernburg unter anderem auchMerseburg, Dessau-Roßlau, Coswig und Oranienbaumentsprechende Belastungen. Knapp die Hälfteder Befragten gab an, dass die Probleme inden letzten fünf bis zehn Jahren entstandensind, dem Zeitraum, in dem die Zahl der Navisin Deutschland auf rund 20Millionen angestiegenist. Nach Ansicht des ADAC liegt die Ursachefür viele Verkehrsprobleme bei den Navigationsgerätenselbst. "Sie reagieren schon auf kurze Stausmit der unnötigen Empfehlung, die Autobahnzu verlassen und auf Nebenstrecken auszuweichen",sagt Johann Nowicki, Verkehrsexperte des Automobilclubsder MZ. "Die nachgeordneten Straßen habenjedoch ein wesentlich geringeres Fassungsvermögenund geraten schnell an ihre Leistungsgrenze."Zusätzlich werden häufig Meldungen auch falschverarbeitet. So wird etwa die Sperrung einerAnschlussstelle oder einer Fahrspur nichtselten als Autobahn-Vollsperrung interpretiert.Auch die Autofahrer selbst können helfen,derartige Probleme zu vermeiden. So lohntes sich nach Angaben des ADAC meist nur dannvon der Autobahn abzufahren, wenn eine Vollsperrungoder ein größerer Unfall vorliegt und wennes parallel zur betroffenen Strecke eine Alternativ-Autobahnoder eine gut ausgebaute Bundesstraße gibt.

Der Automobilclub fordert daher eine Ausweitungdes Stauerfassungssystems auf Bundes- undLandesstraßen. Zudem müssten die Verkehrsinformationenkünftig weitere Angaben zur Ursache und Dauereines Staus sowie zum Durchschnittstempo beinhalten.

TMC-Nachfolger soll Problem lösen

"Das derzeit genutzte analoge TMC-Systemstößt jedoch mit den Autobahn-Daten bereitsan seine Kapazitätsgrenzen", sagt Nowicki."Um die zusätzlichen Informationen, die beiBehörden und dem ADAC auch für Bundes- undLandesstraßen längst verfügbar sind, in dieAutos zu bringen, braucht man das DigitalRadio TPEG (Transport Protocol Experts Group)als Nachfolgesystem von TMC, das mehr Datenübermittel kann, so Nowicki. Er fordert denraschen flächendeckenden Ausbau des digitalenRundfunks, der den Einsatz der neuen Generationvon TPGE-Empfangsgeräten möglich macht.