Spanien Spanien: Marbella wurde zum Zentrum der organisierten Kriminalität

Madrid/dpa. - Mafiaorganisationen aus aller Welt treiben in Marbella ihrUnwesen. Nach Einschätzung des spanischen Innenministers José AntonioAlonso ist die Bedrohung, die von den Gangsterbanden an der Costa del Sol und anderen Teilen der Mittelmeerküste ausgeht, mit der Gefahrdes islamistischen Terrorismus vergleichbar.
Welche Ausmaße die Bandenkriminalität angenommen hat, zeigte sichjetzt bei der Zerschlagung des vielleicht größten Geldwäscherrings inEuropa. 41 Verdächtige wurden festgenommen. Sie sollen von Marbellaaus 250 bis 600 Millionen Euro Schwarzgeld aus dem Drogen- undWaffenschmuggel, aus Prostitution, Erpressung und Auftragsmorden überScheinfirmen in die verschiedenen Finanz- und Steuerparadiesegeschleust haben.
Dabei hatte die Costa del Sol schon vor Jahrzehnten Kriminelleangelockt. Britische Gangster verprassten in Marbella ihre Beute,weil es zwischen Madrid und London kein Auslieferungsabkommen gab.Sie brachten der Küste damals den Beinamen «Crime Coast» ein.Mafiachefs aus Sizilien setzten sich hier zur Ruhe. Sie fielen jedochnicht weiter auf, weil sie in Spanien gegen keine Gesetze verstießen.Marbella galt damals als eine der sichersten Städte in Spanien.
Das änderte sich in den 90er Jahren, als sich ganzeGangsterbanden, vor allem aus Osteuropa, in der Gegend niederließen.Der Badeort verwandelte sich binnen kurzer Zeit in eine «Hauptstadtdes Verbrechens». Die Ursachen liegen auf der Hand. Mit dem - voreinem Jahr gestorbenen - Baulöwen Jesús Gil regierte in Marbella einBürgermeister, der selbst bis zum Hals in dunkle Geschäfte verwickeltwar. Zudem liegen Marokko, das größte Exportland von Marihuana undHaschisch, und die britische Kolonie Gibraltar, in den Augen derSpanier ein Geldwäscher-Paradies, in unmittelbarer Nähe.
Der Strom des Massentourismus und die ausländischen Residenten -an der Costa del Sol leben etwa 30 000 Deutsche - garantieren denBandenchefs Anonymität. Niemand fragt, woher das Geld kommt, wennsich jemand einen Ferrari kauft und in bar zahlt. «Entlang der Küstegibt es ganze Siedlungen, in denen nur Ausländer leben. Wer sinddiese Leute? Wir haben nicht die geringste Ahnung», klagt einPolizeibeamter. «Manche Luxusvillen haben Hubschrauberlandeplatz undAtombunker, aber die Eigentümer kennen wir nicht.»
Der Baulöwe Gil machte Marbella zur größten Baustelle Spaniens.Nirgends wurde - pro Einwohner - so viel Beton verbraucht wie in demBadeort. Pro Jahr entstanden 10 000 neue Wohnungen, viele davonillegal und finanziert mit Geldern aus dem organisierten Verbrechen.«An der Costa del Sol bedeckt der Beton so manche Leiche», meint derKolumnist Raúl del Pozo. Kaum einer in Marbella zweifelt daran, dassder Bürgermeister und seine Getreuen bei dem Boom kräftig absahnten.
«Wo nur dreistöckige Häuser erlaubt waren, ließ man gegenSchmiergeld den Bau von sieben Etagen zu», erläuterte die Städtebau-Expertin Josefina Cruz. «Sogar Sportanlagen, Gärten und Parks wurdenzu Bauland erklärt.» Der Sonderstaatsanwalt für dieKorruptionsbekämpfung, Carlos Castresana, meint: «Marbella ist eineInsel der Gesetzlosigkeit, eine Art von Wilder Westen, wo der Staatnicht hinkommt.» Von den fünf Städten Spaniens mit den höchstenKriminalitätsraten liegen drei an der Costa del Sol: Marbella,Fuengirola und Torremolinos.