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Arbeitsmarkt Schwierige Lage: Studie zur Situation Langzeitarbeitsloser

Wer mindestens ein Jahr keinen Job hat, gilt als langzeitarbeitslos. Betroffene geraten oft in einen verhängnisvollen Kreislauf. Experten sprechen von einem sich selbst verstärkenden Zustand.

Von dpa 24.08.2025, 10:00
Eine Studie belegt die schwierige Situation von Langzeitarbeitslosen in Deutschland. (Symbolbild)
Eine Studie belegt die schwierige Situation von Langzeitarbeitslosen in Deutschland. (Symbolbild) Jens Kalaene/dpa

Radebeul/Chemnitz - Langzeitarbeitslose sind bei der Suche nach einem Job meist auf individuelle Betreuung und eine besondere Unterstützung angewiesen. Das ist ein Befund aus einer Studie unter Mitwirkung des Diakonischen Landesverbandes. „Die zentrale Frage war: Warum treten Langzeitarbeitslose trotz zahlreicher offener Stellen nur selten wieder in den Arbeitsmarkt ein“, erklärte Marko Hietzke, Referent für Arbeitsförderung und Erwerbslosenarbeit bei der Diakonie Sachsen. Für die qualitative Studie waren unter anderem 34 Betroffene bundesweit befragt worden.

In der Regel erweist sich Langzeitarbeitslosigkeit als ein sich selbst verstärkender Zustand, sagte Hietzke. „Eine Befragte brachte es so auf den Punkt: Krankheit hat mich arbeitslos gemacht und Arbeitslosigkeit macht mich krank.“ Betroffene könnten in einen verhängnisvollen Kreislauf geraten. „Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, umso schwieriger ist es, aus ihr wieder herauszukommen.“ Ambivalenzen und Ängste bezüglich eines Wiedereinstiegs in den Arbeitsmarkt spielten eine zentrale Rolle. 

Angst vor Bewerbungsgesprächen und Versagen 

„Es gibt Ängste vor Bewerbungen, dem Bewerbungsgespräch und einem Versagen“, so Hietzke. Langzeitarbeitslose würden bei einer Arbeitsaufnahme in gewisser Weise ein vertrautes und sicheres Terrain verlassen. „Bisher waren sie erst einmal abgesichert. Der neue Job bringt Ungewissheit mit sich.“ 

Als Vermittlungshemmnis gelte ein fortgeschrittenes Alter. „Ab 55 plus ist es schwierig, Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu vermitteln.“

Betroffene brauchen Begleitung auf Augenhöhe 

Hietzke zufolge befinden sich Langzeitarbeitslose mitunter in einer schwierigen persönlichen Situation. „Manche haben Kinder oder müssen Angehörige pflegen. Mitunter liegen psychische Erkrankungen, eine Sucht oder Schulden vor. Das alles macht es schwierig, einen Weg zurück auf den Arbeitsmarkt zu finden.“ Notwendig sei deshalb eine individuelle Begleitung auf Augenhöhe seitens der Jobcenter und Sozialarbeiter - noch besser der sozialen Träger, die ebenfalls für Langzeitarbeitslose zuständig sind.

„In der öffentlichen Debatte spricht man oft von Sanktionen und Totalverweigerung. In der Studie ist man eher zu der Erkenntnis gelangt, dass ein wohlwollender Druck sinnvoller ist“, sagte Hietzke. Ganz ohne Druck gehe es nicht. Das würden auch Studien vom Institut für Arbeits- und Berufsforschung zeigen. Zu viel Druck sei wiederum kontraproduktiv, weil das Menschen verprellen könne.

„Die meisten Betroffenen wollen arbeiten“

„Es geht darum, Betroffene mitzunehmen, vorhandene Instrumente besser zu nutzen und Good-Practice-Beispiele stärker einzubeziehen“, erläuterte Hietzke. Beim Chancenteilhabegesetz zeichne sich momentan eine problematische Entwicklung ab: Da in Zeiten finanzieller Knappheit überall Geld fehle, würden auch Angebote für Langzeitarbeitslose zurückgefahren. Die Instrumente seien zwar teuer, zahlten sich aber langfristig aus.

„Arbeit ist auch für Langzeitarbeitslose ein wichtiger Faktor. Die meisten Betroffenen wollen arbeiten, brauchen aber dafür gute Bedingungen“, sagte Hietzke, der in einer früheren Tätigkeit in der Dresdner Stadtmission häufig mit ihnen zu tun hatte. „Ich habe erlebt, wie sich Menschen stark mit ihrer Arbeit identifizierten. Ein Mann, der auf einem Friedhof eine Anstellung in einer Arbeitsgelegenheit fand, ließ seine Arbeitssachen auch auf dem Heimweg an. Sein Junge sollte sehen, dass Papa von Arbeit nach Hause kommt.“

50.000 Menschen in Sachsen schon länger als ein Jahr ohne Job

Nach Angaben der sächsischen Arbeitsagentur hat die Langzeitarbeitslosigkeit in Sachsen im langjährigen Vergleich abgenommen. 2019 erreichte sie mit 39.300 Betroffenen einen Tiefststand. Durch die Corona-Pandemie sei der positive Trend gestoppt und umgekehrt worden. 

2024 waren 50.455 Menschen als langzeitarbeitslos registriert. Dabei sind mehr Männer als Frauen betroffen. Durch die wirtschaftliche Entwicklung kam es vor allem in der Industrie mit ihrem traditionell hohem Männeranteil zu einem Arbeitsplatzabbau, hieß es.

Etwa die Hälfte der Langzeitarbeitslosen (49 Prozent) sind zwischen 25 bis unter 50 Jahre alt. Dahinter folgt mit geringem Abstand die Altersgruppe 50 plus (47 Prozent.) Als Gründe für eine Arbeitslosigkeit von einem Jahr und länger nennt die Agentur neben einer fehlenden Ausbildung und mangelnden Sprachkenntnisse auch gesundheitliche Einschränkungen sowie die Kinderbetreuung bei Alleinerziehenden. Mitunter fehle eine auch eine „Passgenauigkeit von Nachfrage und Angebot“.

Geringe Qualifikation erhöht Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit

„Der Arbeitsmarkt befindet sich in schwierigem Fahrwasser. Besonders geringqualifizierte Menschen haben ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden und auch länger zu bleiben“, sagte Arbeitsagentur-Chef Klaus-Peter Hansen. Längere Arbeitslosigkeit könne zum Vermittlungshemmnis werden. 

Deshalb setze sich Agentur mit dem individuellen Profil eines Menschen auseinander. „Wir coachen und bilden die Menschen bedarfsorientiert weiter, um sie schnell und nachhaltig wieder in Arbeit zu bringen.“