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30.000 Twitter-Follower Rheinbahn in Düsseldorf: Erkan Dörtoluk sammelt die besten Zitate aus der Straßenbahn

30.09.2016, 07:13
Die Düsseldorfer Rheinbahn
Die Düsseldorfer Rheinbahn imago

Düsseldorf - Erkan Dörtoluk sitzt in der Bahn und hört mit, was die meist jungen Menschen bewegt. Die Realität habe die Satire längst überholt, sagt er.

„Die Merkel soll mal mit der Straßenbahn fahren, da weiß sie hinterher aber, was los ist in Deutschland“ (Martina, 48). Erkan Dörtoluk fährt sehr viel Straßenbahn. Und damit nicht nur er weiß, was los ist in Deutschland, schickt er das, was er dabei zu hören bekommt, per Twitter („rheinbahn_intim“) an seine 30 000 „Follower“. Auch Martinas Kommentar findet sich dort wieder.

Dem Volk „aufs Maul schauen“

Was sich alles ansammelt, wenn man dem Volk jahrelang sprichwörtlich „aufs Maul schaut“, hat Dörtoluk jetzt in einem Buch zusammengetragen („Du hast mir das Kind gemacht, nicht ich.“) 224 Seiten voller Zitate aus mehr als fünf Jahren öffentlichem Nahverkehr.

Wenn Dörtoluk die Bahn besteigt, dann macht er es sich erst einmal gemütlich. Ein Auto besitzt der Social-Media-Experte nicht. Die Vornamen, denen er die Zitate zuschreibt, sind ausgedacht, das Alter ist geschätzt, die Sprüche echt: „Wenn du nicht sein Titelbild auf Facebook bist, dann liebt er dich nicht“ (Lisa, 14) oder „Rede nicht, wenn dein Kopf leer ist“ (Zahra, 19).

Wird es laut und spannend, zückt Dörtoluk sein Smartphone und twittert los. Dabei ist er selbst immer wieder erstaunt über das, was er alles mitbekommt: „Viele Leute wollen nichts von sich im Internet sehen. Aber in der Bahn, die nun einmal auch öffentlich ist, sprechen sie plötzlich über ihre Krankheiten und Straftaten.“

Dörtoluk ein „guter Zuhörer“

Er selbst ist eher der Typ „guter Zuhörer“. Besonders junge Mädchen seien wegen ihrer „glockenhellen, schneidenden Stimmen“ kaum zu überhören, sagt er. Aus ihnen sprudeln Sätze wie „Ich will nicht dem Lukas seine erste Freundin sein. Der ist voll sensibel und braucht noch seine Mutter“ von der verständnisvollen Hanna (15).

Oder Lisa (18): „Ich mach nur WhatsApp. In E-Mail sind mir zu viele Wörter.“ Aber auch mittlere Semester sind gut für Tweets: „Der Ralf ist nicht oberflächlich, der postet Delfine und tote Kinder auf Facebook.“ (Steffi, 33) Dörtoluk sagt: „Die Realität hat die Satire mittlerweile überholt.“

Der Twitterer aus Tarifzone A zerrt zwar die teils intimen Gesprächsfetzen in die Öffentlichkeit, er wahrt aber die Anonymität der Absender. So seien die Zitate „unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich“ erklärt Medienrechtler Prof. Thomas Hoeren von der Universität Münster. Tatsächliche Personennamen oder andere persönliche Angaben würden ja nicht genannt.

Es ist gleichzeitig eine Art Milieustudie, an der Dörtoluk arbeitet: Werden draußen die Villen prachtvoller, die Autos größer und die Bäume mehr, dann wechseln auch die Themen der Bahnfahrer.

Dann gehe es nicht mehr ums nackte Überleben, „wo das letzte Geld für Wettscheine draufgeht und nichts mehr fürs Deo übrig bleibt“, sondern um sogenannte „First-World-Problems“. Fortpflanzung sei überall ein Thema, egal in welchen Rheinbahn-Sphären er sich auch bewege. Über 30.000 Follower hat Dörtoluk inzwischen auf Twitter. (dpa)