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Psychologie Psychologie: Das starke Geschlecht schwächelt

Von Susanna Gilbert-Sättele 16.07.2001, 12:37

Hamburg/dpa. - Männer jeden Alters, stellen amerikanische Wissenschaftler fest,sind heute mit dem Aussehen ihres Körpers unzufrieden - und dies ineinem nie da gewesenen Ausmaß. Sie werden Dauergast in den Fitness-Studios, sind Ess-Brech-Attacken unterworfen oder nehmenkörperformende Präparate ein.

Männer mit Essstörungen sind erst jüngst ins Augenmerk derWissenschaftler gerückt. Die Zahl der Betroffenen ist nochunbekannt. Hinter dieser Entwicklung steckt nach Auffassung desBerliner Soziologen und Männerforschers Prof. Walter Hollstein eintiefgehender Einbruch in das männliche Selbstwertgefühl.

Auch der Psychologe Reinhold Laessle (Universität Trier) stellteine Abnahme des männlichen Selbstbewusstseins fest: «Nicht nurFrauen, auch immer mehr Männer sind heute unzufrieden mit ihrerFigur», sagt er. In Extremfällen entwickeln sie Essstörungen bis hinzur Bulimie und Magersucht. Auch einen Trend zu muskelaufbauendenDrogen glaubt der Experte feststellen zu können. Ebenso beobachtetdie Deutsche Gesellschaft für Plastische undWiederherstellungschirurgie in Rotenburg eine Zunahme männlicherPatienten: Bereits jeder Fünfte auf dem OP-Tisch desSchönheitschirurgen ist ihren Schätzungen zufolge ein Mann.

Die meisten Männer, konstatiert Hollstein in seinem neuen Werk«Potent werden - Das Handbuch für Männer» (Verlag Hans Huber, Bern,388 Seiten, 49,80 Mark, ISBN 3-456-83534-5), empfinden keinen Stolzmehr darüber, dem männlichen Geschlecht anzugehören. Sie fühlen sichnicht selten impotent, kraft- und lustlos, traurig und depressiv.Für Hollstein ist die «kopernikanische Wende» von der Ära desmännlichen Selbstbewusstseins zur Epoche zunehmender Impotenz engmit der Emanzipation der Frauen verbunden.

Auch die Psychiater und Psychologen Harrison Pope, KatharinePhillips und Roberto Oliviardia von der amerikanischen HarvardUniversität haben eine «Körperbild-Krise» beim Mann ausgemacht, diesie in Anlehnung an den Beau der griechischen Mythologie «Adonis-Komplex» nennen. Sie verweisen in ihrem Buch «Der Adonis-Komplex.Schönheitswahn und Körperkult bei Männern» (Deutscher TaschenbuchVerlag, München, 327 Seiten, 30,00 Mark, ISBN 3-423-24249-3) darauf,dass allein in den USA drei Millionen Männer Anabolika und anderegefährliche Schwarzmarktdrogen nehmen.

Da mache sich eine Art umgekehrte Magersucht breit, die von denFitness-Magazinen bis hin zu Haarentfernungsproduzenten ausgenutztund verstärkt wird. Dabei lassen diese Männer außer Acht, dassFrauen keineswegs Kraftprotze attraktiver finden als «normale»Männer. Untersuchungen der Harvard-Forscher haben gezeigt, dassFrauen wesentlich weniger Muskelmasse am Mann anziehend finden, alsdie Männer annehmen.